Einbruch bei Inlandsflügen: Haben die Deutschen etwa doch Flugscham?

Über den Wolken... könnte die Scham größer sein, als bislang angenommen.

Über den Wolken... könnte die Scham größer sein, als bislang angenommen.

Ist das die Trendwende? „Der innerdeutsche Verkehr bricht an allen Standorten ein“, berichtet der Flughafenverband ADV in seinem aktuellen Bericht für den Monat November. Das Minus bei den Passagieren beträgt fast 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es ist der vierte Monat in Folge mit Minuszahlen. Vieles spricht dafür, dass sich Flugscham breit macht – zumindest auf kürzeren Strecken, wo es Alternativen gibt.

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Die Luftfahrtbranche bestreitet gleichwohl steif und fest einen Greta-Effekt. Als Hauptgrund für das Minus nennt der ADV „Angebotsausdünnungen“ – insbesondere bei Eurowings. Im November 2018 bediente die Lufthansa-Tochter noch drei Strecken mehr: Jeweils von Berlin nach Karlsruhe, Nürnberg sowie Saarbrücken. Verstärkt werde der Negativtrend durch die Folgen eines zweitägigen Streiks bei der Lufthansa, so der ADV.

Doch auch mit den Flügen in benachbarte europäische Länder geht es abwärts. Die Zahl der Passagiere sank im November um knapp 2 Prozent; die Starts und Landungen gingen sogar um 7,7 Prozent zurück – „ein neuer Tiefstwert seit über fünf Jahren“, teilt die Flughafenlobby mit. Auch hier seien die Spuren von Angebotsanpassungen zu bemerken. Ryanair, Marktführer im Europaverkehr, hat seine Präsenz an verschiedenen Airports massiv zurückgefahren. Auch der britische Rivale Easyjet baut ab.

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Viele negative Einflussfaktoren, beklagen die Flughafenbetreiber...

Aus Sicht der Flughafenbetreiber verstärken sich mittlerweile „negative Einflussfaktoren“. Dazu zählten steigende Spritpreise, fehlendes Fluggerät, weil die 737 Max von Boeing am Boden bleiben muss, und eine schwächelnde Konjunktur. Die innerdeutsche Fliegerei ist ohnehin schon lange ein wenig lukratives Geschäft für die Airlines, da es schwer ist, hohe Auslastungen zu erreichen.

Auch der schwedische Luftfahrtexperte Stefan Goessling räumt ein, dass all diese Faktoren zum Tragen kamen. Aber die Rückgänge ließen sich damit alleine nicht erklären, sagte er dem Finanznachrichtendienst Bloomberg. Aus seiner Sicht ist es eindeutig, dass eine erhöhte Aufmerksamkeit beim Thema Klimawandel sich nun in Konsumentenverhalten transformiert – das ist die sogenannte Flugscham.

...doch Experten sehen vor allem einen Greta-Effekt

So ist auch der Hinweis auf die lahme Konjunktur insofern nicht ganz stichhaltig, als dass bei den Verbrauchern gerade in diesem Herbst das Geld so locker wie schon lange nicht mehr sitzt – der Handelsverband HDE rechnet mit neuen Rekorden im Weihnachtsgeschäft 2019.

Und dass die Fluggesellschaften ihre Kapazitäten für das Winterhalbjahr auf der Kurz- und der Mittelstrecke systematisch ausgedünnt haben, ist eine Reaktion auf die maue Nachfrage, die schon im Frühjahr zu erkennen war. Das könnten schon die ersten Boten eines Greta-Effekts gewesen sein. Seinerzeit tauchte der Begriff „Flugscham“ plötzlich gehäuft in der Diskussion über den Klimawandel auf.

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Bei Dienstreisen wird die Bahn wichtiger

Nebst der Beschreibung der Effekte des Luftverkehrs: So rechnen Non-Profit-Organisationen wie Atmosfair vor, dass ein Flug von Hamburg nach München unter günstigsten Bedingungen – modernes, voll besetztes Flugzeug – pro Passagier einen CO₂-Ausstoß von gut 120 Kilogramm verursacht. Nur etwa ein Sechstel davon fällt bei einer Fahrt in einem durchschnittlich besetzten ICE bei der gleichen Verbindung an.

Viele Unternehmen achten inzwischen darauf, dass auf innerdeutschen Dienstreisen die Eisenbahn bevorzugt wird. Hinzu kommt, dass mit der neuen Schienenrennstrecke Berlin-München nun eine zügige Alternative für die Fliegerei geboten wird. Die Deutsche Bahn erwartet denn auch – trotz Verspätungen, Zugausfällen und mangelndem Service – spürbar steigende Fahrgastzahlen. Das könnte sich verstärken, wenn die Reduktion der Mehrwertsteuer für Tickets auf Fernstrecken im neuen Jahr greift.

Die schwedische Staatsbahn feiert Rekorde

In Greta Thunbergs Heimatland jedenfalls ist das Muster noch deutlicher erkennbar. Die schwedische Staatsbahn meldet ständig neue Rekorde, während der Flughafenbetreiber Schwedavia kontinuierlich massive Passagierrückgänge beklagt. Ähnlich sieht es in Österreich aus, wo die Bundesbahnen (ÖBB) jüngst ein ausgesprochen positives Jahr für das Nachtzug-Netz verkündeten.

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Vieles spricht indes dafür, dass das Verhalten der Reisenden auch stark eine Frage der Alternativen ist. Die geringeren Einbußen bei Kontinentalflügen über Landesgrenzen hinweg könnten darauf deuten, dass insbesondere Geschäftsreisende Bahnfahrten ins europäischen Ausland scheuen, weil die Verbindungen kompliziert und die Fahrtzeiten teils extrem lang sind. Ins Bild passt auch, dass es hierzulande im November einzig bei den Interkontinentalflügen ein Passagierplus gab, und zwar von 1,8 Prozent. Hier gibt es keine andere Wahl als ins Flugzeug zu steigen.

Es sei denn man reist wie Greta mit dem Segelboot.

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