Winterrezession „milder als erwartet“: Fällt die Wirtschaftskrise einfach aus?
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Mit Einkaufstüten geht eine Frau nach dem Weihnachtsshopping durch die Innenstadt.
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Frankfurt am Main. Fällt die vielfach beschworene Wirtschaftskrise einfach aus? Zunehmend mehr Zeichen deuten in diese Richtung. Das Münchner Ifo-Institut jedenfalls hat seine Erwartungen nun nach oben korrigiert und betont: „Die erwartete Winterrezession wird milder ausfallen als bislang erwartet.“ Wobei die Volkswirte für das gesamte nächste Jahr nur noch von einem Miniminus der Wirtschaftsleistung von 0,1 Prozent ausgehen.
„In den beiden Quartalen des Winterhalbjahrs 2022/2023 schrumpft das Bruttoinlandsprodukt zwar, aber danach geht es wieder aufwärts“, so die verfrühte frohe Weihnachtsbotschaft von Timo Wollmershäuser, der beim Ifo-Institut für Prognosen zuständig ist.
In den vergangenen Wochen wurde die Ökonomiezunft von mehreren Meldungen positiv überrascht. Im dritten Quartal stieg die deutsche Wirtschaftsleistung trotz Energiekrise doch noch um 0,4 Prozent. Jens-Oliver Niklasch von der LBBW sprach kürzlich von einem „spektakulären Rückgang“ der Erzeugerpreise. Um satte 4,2 Prozent gingen im Oktober im Vergleich zum Vormonat die Preise für die Produkte nach unten, die Unternehmen hierzulande an andere Unternehmen verkaufen. Das war der erste Rückgang seit Mai 2020. Zugleich sind die Ölpreise auf das Niveau von Anfang März gerutscht, also auf die Zeit vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. Kraftstoff hat sich seit Mitte Oktober massiv verbilligt.
Und schließlich gab die Inflation im November – wenn auch auf hohem Niveau – nach. Auf glatte 10 Prozent nach 10,4 Prozent im Oktober. Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, geht davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzt: „Im Dezember dürfte die Teuerung wegen der Übernahme der Abschlagszahlungen auf Gas und Fernwärme durch den Bund bereits wieder deutlich unter 10 Prozent fallen“, sagte der Wirtschaftsforscher dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Für Januar und Februar sei ein „kurzes Zwischenhoch“ bei der Inflation denkbar. „Spätestens ab März dürfte die Teuerung dann aber dauerhaft deutlich unter der 10-Prozent-Marke bleiben“ – auch dank der Preisbremsen für Gas und Strom.
Einkommen werden stärker zulegen als die Preise
All dies hat auch die Fachleute des Ifo optimistischer gemacht. Zwar werde der Preisauftrieb vor allem im Winterhalbjahr die Realeinkommen sinken lassen und die Konjunktur abkühlen. „Ab der zweiten Jahreshälfte dürften die Einkommen im Verlauf wieder stärker zulegen als die Preise.“ Eine gute Nachricht für die Verbraucher, denn dann würde der private Konsum wieder Fahrt aufnehmen.
Inflationsrate fällt auf 10 Prozent – Lebensmittel deutlich teurer
Eine ähnlich hohe Inflation ist zuletzt in den 1950er-Jahren gemessen worden. Besonders Lebensmittel und Energie sind teuer geworden.
© Quelle: dpa
Die ausgabenfreudigen Privathaushalte hatten schon im ersten Halbjahr 2022 die Konjunktur stabilisiert. Was nach Ifo-Prognosen für das gesamte Jahr zu einem Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent führen wird. Die Inflationsrate werde sich bei 7,8 Prozent einpendeln, aber 2023 und 2024 deutlich nach unten gehen. Das verringert auch den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), die Zinsen weiter zu erhöhen, was zusätzliche positive Impulse für die Wirtschaft auslösen würde. Der EZB-Rat wird aber am Donnerstag mit großer Wahrscheinlichkeit noch mal eine Zinserhöhung beschließen, gleichwohl möglicherweise bereits eine Verlangsamung des Tempos beim Straffen der Geldpolitik andeuten.
Auch aus Sicht des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sind zumindest die konjunkturellen Horrorszenarien vom Tisch. Zwar stehe Deutschland vor einer Rezession. „Allerdings deuten die Zahlen nicht auf einen Konjunktureinbruch in dem Ausmaß hin, wie es ihn in der Corona-Pandemie und in der Finanzkrise 2008 gab.“ Die IW-Experten sind indes deutlich pessimistischer als die Kollegen vom Ifo. Sie rechnen mit einem Schrumpfen des BIP im nächsten Jahr um 0,75 Prozent. Der private Konsum werde sogar um 1,5 Prozent zurückgehen.
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Arbeitsmarkt als Stabilisator
Wie schwer die Krise letztlich ausfallen werde, hänge stark von der Entwicklung der Energiepreise ab, erläutert IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. Er spricht von einem „gewaltigen Wohlstandsverlust“. Für IW-Direktor Michael Hüther hat die teure Energie das ganze Land ausgebremst. „Im kommenden Jahr wird es leider kaum besser. Wir werden uns wohl oder übel an horrende Energiepreise gewöhnen müssen“, so Hüther. Unternehmen würden weniger investieren und produzieren.
Aber: „Zumindest der Arbeitsmarkt zeigt sich robust.“ Das IW erwartet für 2023 nur einen leichten Anstieg der Arbeitslosenquote von 5,3 auf 5,4 Prozent. Bei diesem Punkt ist das Ifo zurückhaltender: In der am Mittwoch vorgelegten Prognose heißt es, der Beschäftigungsaufbau werde „weitestgehend zum Erliegen kommen“. Für dieses Jahr wird noch mit 550.000 neuen Stellen kalkuliert, 2023 sollen es nur noch 77.000 und 2024 etwa 80.000 werden.