Geflüchtete aus der Ukraine: Refugees Welcome auf dem Arbeitsmarkt
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Ukrainische Flüchtlinge stehen vor einem Bus der Hochbahn in Hamburg, in dem ein mobiles Impfteam Corona-Schutzimpfungen anbietet. Er steht vor der Registrierungsstelle für Flüchtlinge des Amtes für Migration in der Hammer Straße.
© Quelle: Marcus Brandt/dpa
Hannover. Ivan Kychatyi ist dieser Tage ein gefragter Mann: Mit Freunden hat er eine Jobbörse für Geflüchtete gegründet. „Uns war es einfach wichtig, etwas zu tun“, erzählt der junge, in Berlin lebende Ukrainer – der keine drei Wochen nach dem russischen Angriff auf sein Heimatland begonnen hat, Landsleute auf dem europäischen Arbeitsmarkt unterzubringen. Dort sind sie so willkommen wie nur wenige Flüchtlinge vor ihnen.
Dabei ist klar, dass dieser Tage Aufnahme, Versorgung und Verteilung der mittlerweile gut 125.000 nach Deutschland geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainer Priorität hat. „Jetzt geht es erst einmal darum, die Menschen bei ihrer Ankunft in Deutschland zu unterstützen und gut unterzubringen“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer bei der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Arbeitgeber und Gewerkschaften offen
Doch zugleich haben Arbeitgeber und Gewerkschaften schon vor anderthalb Wochen klargestellt, dass aus ihrer Sicht nichts gegen eine zügige Arbeitsaufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine spricht. „Die Unternehmen, Betriebs- und Personalräte stehen bereit“, erklärten die Sozialpartner. Man wolle einen Beitrag zur Aufnahme, Aus- und Fortbildung und Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten leisten, hieß es in der gemeinsamen Stellungnahme.
Und während etwa Syrerinnen und Syrer 2015 monatelang auf Asylstatus und Arbeitserlaubnis warten mussten, geht es bei Geflüchteten aus der Ukraine wesentlich schneller: Die europäischen Staatschefs haben sich in der vergangenen Woche auf die Aktivierung der sogenannten „Massenzustromrichtlinie“ der EU verständigt. Die ist mehr als 20 Jahre alt, nun kommt sie erstmals zur Anwendung. Wer aus der Ukraine geflohen ist, bekommt automatisch Zugang zu Sozialleistungen, zum Bildungssystem und eben auch zum Arbeitsmarkt.
BDA begrüßt Regelungen für ukrainische Flüchtlinge
„Wir begrüßen, dass die Bundesregierung bei der Umsetzung ein unbürokratisches Vorgehen anstrebt und hierzu auch bereits erste wichtige Entscheidungen getroffen hat“, lobt das Kampeter – zumal eine weitere Hürde bei der Arbeitsaufnahme gefallen ist: Geflüchtete aus der Ukraine bekommen bei der Registrierung eine pauschale Arbeitserlaubnis von den Ausländerbehörden. Das normalerweise notwendige Jobangebot müssen sie dafür nicht vorweisen, hieß es am Montag beim Bundesinnenministerium.
Damit sind auf juristischer Ebene alle Weichen für eine rasche Arbeitsaufnahme gestellt. Trotzdem ist aus Kampeters Sicht der Handlungsbedarf weiterhin groß: „Zügig geklärt werden muss auch, dass Zugang zu Integrations- und Sprachkursen besteht.“ Wie das flächendeckend organisiert wird, steht bislang nicht fest. Gesetzt ist laut Kampeter aber, dass die Arbeitgeber, „wenn das Thema Arbeitsmarktintegration ansteht“, ihren Beitrag leisten wollen. „Es gibt hier bereits viel Erfahrung“, sagte Kampeter auch mit Blick auf die Zeit nach 2015.
„Überdurchschnittlich gut qualifiziert“
In welchen Berufen die Geflohenen unterkommen, ist indes bislang offen. Die von Kychatyi gegründete und von mehreren Techunternehmen unterstützte Plattform „UA Talents“ richtet sich vor allem an die in der Ukraine durchaus zahlreichen IT-Kräfte. Andere Angebote wie „Job Aid“ vermitteln gerade hingegen vor allem Stellen in der Pflege und in Helfertätigkeiten. Insgesamt sei das Bildungsniveau in der Ukraine vergleichsweise hoch, „die Geflüchteten werden überdurchschnittlich gut qualifiziert sein“, prognostiziert Herbert Brücker vom Arbeitsmarktforschungsinstitut IAB.
Sorgen macht Brücker, dass ukrainische Geflüchtete lediglich entlang des Asylbewerberleistungsgesetz unterstützt werden: Zuständig für Sozialleistungen sind nun Ausländerbehörden, nicht Jobcenter – obwohl ihm zufolge die Empirie nach 2015 gezeigt hat, dass die Betreuung durch Letztere zu einer besseren Arbeitsvermittlung und damit einer höheren Erwerbsbeteiligung führt. „Es wäre besser, die Geflüchteten aus der Ukraine direkt ans SGB-II-System anzudocken“, fordert der Arbeitsmarktexperte.
Der Bedarf ist offenbar da
Wie Kampeter und zahlreiche andere Fachleute geht aber auch Brücker davon aus, dass eine sofortige Jobvermittlung für die – oft mit Kindern geflohenen – Ukrainerinnen und Ukrainer nicht die höchste Priorität hat: Es sei vernünftig, jetzt die entsprechende Infrastruktur aufzubauen, „aber erstmal geht es um andere, humanitäre Themen“.
Die Auffassung teilt auch Kychatyi. Aber den Geflüchteten ist ihm zufolge schon jetzt die Arbeitsaufnahme wichtig. „Die Tatsache, dass wir schon Tausende Bewerbungen erhalten haben, zeigt doch, dass der Bedarf da ist“, meint der Ukrainer.