Immer mehr Regionen im Lockdown: Was macht die „Null-Covid“-Politik mit Chinas Wirtschaft?
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Ein Güterzug mit Materialien zur Bekämpfung der Pandemie fährt von Shenzhen in der südchinesischen Provinz Guangdong nach Hongkong.
© Quelle: Liang Xu/XinHua/dpa
Auch in Peking ist die Anspannung der Behörden deutlich zu spüren: Vor den Testzentren bildeten sich am Montagmorgen Menschenschlangen von Hunderten Metern, und auf dem gesamten Stadtgebiet werden immer mehr Wohnsiedlungen abgeriegelt. Eine von ihnen ist die Anlage „Xibahe Zhongli“, auf dem etliche Gesundheitsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in weißen Ganzkörperanzügen umherschwirren. Sie haben insgesamt vier blaue Zelte aufgebaut, in denen die Anwohnerinnen und Anwohner selbst bis Mitternacht noch für die regelmäßigen PCR-Tests anstehen.
Shenzhen ist drittwichtigstes Wirtschaftszentrum
In Shenzhen kommt die Lockdownmethode seit gestern Abend nun für sämtliche 17,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zur Anwendung. Diese dürfen in der kommenden Woche ihre Apartmentsiedlungen nicht verlassen. Sämtlicher öffentliche Nahverkehr ist ausgesetzt, Bürogebäude bleiben geschlossen und auch am Hafen Yantian sollen nach Angaben der Logistikfirma Seko keine neuen Schiffe mehr beladen werden.
Damit ist die Tech-Metropole das bislang folgenreichste Opfer der chinesischen „Null-Covid“-Politik. Nach Peking und Shanghai ist die südchinesische Stadt schließlich das drittwichtigste Wirtschaftszentrum des Landes. Die ökonomische Wertschöpfung Shenzhens ist nahezu so hoch wie in Österreich.
Nächster Lockdown in Shanghai?
Doch es ist beileibe nicht die einzige Gegend im Lockdown. Am Montag hat die nationale Gesundheitskommission lokale Infektionen in insgesamt 56 Städten vermeldet. In den letzten zwei Tagen waren es über 5000 Ansteckungen – jede einzelne führt zu Massentestungen und Abriegelungen.
Auch in Shanghai gleicht sich der Alltag immer stärker einem de facto Lockdown an: Die Behörden haben die Bewohnerinnen und Bewohner angewiesen, nach Möglichkeit die Stadt nicht mehr zu verlassen. Zudem wurden sämtliche Passagierflugzeuge in andere Städte umgeleitet. Ganz ähnlich sieht es auch in der Ostküstenstadt Qingdao aus, deren Bewohnerinnen und Bewohner ebenfalls dazu angehalten sind, nicht auszureisen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Wirtschaftsmetropole vollkommen dicht macht.
Wachstum von 5,5 Prozentpunkten wohl nicht zu erreichen
Nicht zuletzt ist mit Jilin im Nordosten des Landes eine gesamte Provinz, die flächenmäßig etwa zweimal so groß wie Ungarn ist, abgesperrt. Dort leben rund 24 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Volkswagen, das dort gemeinsam mit einem chinesischen Staatsunternehmen mehrere Produktionsstandorte betreibt, musste bereits die Produktion in drei Werken vorübergehend suspendieren.
Schon jetzt ist den meisten Ökonominnen und Ökonomen klar: Das für 2020 ausgegebene Wachstum von 5,5 Prozentpunkten wird wohl nicht zu erreichen sein. Schon vor den Omikron-Ausbrüchen galt das Planziel als extrem ambitioniert, mittlerweile ist es erst recht utopisch. Überall im Land ist zu spüren, dass das Virus nicht nur die Reisetätigkeit in China auf ein Minimum reduziert, sondern auch den Binnenkonsum weiter massiv lähmt. Viele Chinesen sind verängstigt, unnötigerweise in Restaurants oder Einkaufszentren zu gehen, wenn sie dafür rückwirkend als mögliche Kontaktpersonen von Corona-Fällen identifiziert – und in Quarantäne geschickt werden.
China verweigert ausländischen Vakzinen die Zulassung
Doch, und das machen die führenden Epidemiologen des Landes in ihren Aussagen mehr als deutlich: An der „Null-Covid“-Strategie wird man auf absehbare Zeit trotz einer zuletzt aufflammenden Debatte nicht abweichen. Den einzig möglichen Exitplan hatte man im letzten Jahr verpasst: Biontech stand kurz davor, seinen mRNA-Impfstoff für den chinesischen Markt in einer Kooperation mit dem Pharmakonzern Fosun produzieren zu lassen. Doch die chinesische Regierung verweigerte sämtlichen ausländischen Vakzinen schlussendlich bis heute die Zulassung.
Die heimischen Totimpfstoffe von Sinopharm und Sinovac bieten zwar auch prinzipiell Schutz vor schweren Verläufen – aber nicht in dem Maße, als dass die Regierung gewillt ist, eine Lockerung ihrer epidemiologischen Maßnahmen zu riskieren. Denn in vielen Teilen des Landes ist das Gesundheitssystem nur rudimentär entwickelt.