Weltwirtschaftsforum in Davos: Nie waren die Herausforderungen größer
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Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) spricht beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
© Quelle: Laurent Gillieron/KEYSTONE/dpa
Berlin. Man kann sich fragen, wozu das alles gut sein soll: Wer braucht den Protz, die Abgeschiedenheit, die Wichtigtuerei? Und was genau veranlasst eigentlich demokratisch gewählte Politiker wie Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz, zu einem Milliardärstreffen in einem Schweizer Nobelskiort zu reisen? Haben die – gerade in der aktuellen Lage – nichts Besseres zu tun?
All diese Fragen sind berechtigt – und doch greift die traditionelle Kritik an internationalen Konferenzen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos zu kurz.
Elite aus Politik und Finanzwelt trifft sich in Davos
Neben dem Krieg in der Ukraine stehen auch Themen wie die Wirtschaftserholung nach der Corona-Pandemie und Klimaschutz auf der Agenda des Treffens in Davos.
© Quelle: Reuters
Krieg, Klimawandel, Rohstoffe, Energie, Hunger – die Welt scheint zu Beginn der 20er-Jahre des 21. Jahrhunderts aus einer Abfolge von Krisen zu bestehen. Jede hat mit der Art zu tun, wie wir zusammenleben und wie wir wirtschaften. Und keine lässt sich rein national bewältigen.
Dem Kapitalismus geht es nicht gut
Davos, das Treffen der Reichen und Mächtigen, ist groß geworden mit der voranschreitenden Globalisierung. Jahrzehntelang zelebrierte die politische und wirtschaftliche Elite in den Schweizer Alpen so etwas wie das Hochamt des Kapitalismus. Für ein Requiem mag es zu früh sein, aber dass es dem Patienten nicht gut geht, ist unübersehbar.
Der Traum von einer Globalisierung, die mehr Wohlstand für alle Menschen bringt, ist ausgeträumt – und das nicht nur bei den Kritikern von links. Auch die größten Kapitalisten haben in den zurückliegenden Monaten erfahren, wie verletzbar die arbeitsteilige Wirtschaftswelt geworden ist. Und wie groß die Risiken sind, die damit einhergehen.
Zwei Männer reichen aus, um die globale Ökonomie an den Rand des Abgrunds zu führen. Der eine hat einen Krieg mitten in Europa vom Zaun gebrochen. Der andere versucht mit drakonischen Maßnahmen, ein Virus einzudmmen, das sich nicht mehr eindämmen lässt.
Natürlich lassen sich Wladimir Putin und Xi Jinping nur schwerlich miteinander vergleichen. Putins Ziel ist das Chaos. Selbst eine globale Hungersnot nimmt der Despot aus dem Kreml dafür nicht mehr nur in Kauf, sondern forciert sie geradezu. Chinas Staatschef Xi will erst mal nur eine Infektionswelle brechen. Doch auch er nimmt dabei keinerlei Rücksicht – weder auf menschliches Leiden seiner Bevölkerung noch auch die wirtschaftlichen Nöte der Welt.
Eine Aufgabe für Generationen
Nach zwei Jahren Pandemie und einem Vierteljahr Ukraine-Krieg ist klar, dass Lieferketten völlig neu gedacht werden müssen. Versorgungssicherheit ist ein Wert an sich. Das gilt für Getreide wie für Mikrochips, und es muss bei allem Streben nach Arbeitsteilung und Effizienz viel stärker als bisher berücksichtigt werden.
Das allein ließe sich noch bewerkstelligen, wäre da nicht die um ein Vielfaches größere Aufgabe, eine Weltwirtschaft, die seit Jahrhunderten auf der Ausbeutung planetarer Ressourcen beruht, auf Nachhaltigkeit umzustellen. Was eigentlich eine Aufgabe für mehrere Generationen wäre, muss innerhalb einer geschafft werden, weil der Klimawandel keine Verzögerungen mehr erlaubt.
Und dann sind da noch die Probleme des globalen Hungers, der wachsenden Weltbevölkerung und des zunehmenden Migrationsdrucks, die alle irgendwie zusammenhängen. „Wir können die Probleme nicht lösen, wenn wir uns nur auf eins der Probleme konzentrieren“, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montag zum Auftakt der Tagung gesagt. Er hat damit zweifellos recht.
Selbst wenn sich all diese Probleme nicht durchs Reden lösen lassen, und schon gar nicht durch eine viertägige Konferenz, müssen die wirtschaftlichen und politischen Führer der Welt irgendwann damit beginnen. Davos kann ein Anfang sin. Nicht mehr – aber eben auch nicht weniger.