Umfrage liefert erschreckende Zahlen

Gastgewerbe ächzt unter Personalmangel – und es droht noch schlimmer zu werden

Saison-Arbeitskräfte sind bei der Obsternte oder im Gastgewerbe zunehmend unverzichtbar, aber immer schwerer zu bekommen.

Mitarbeiter gesucht: Das Gastgewerbe braucht Personal.

Berlin. Das deutsche Gastgewerbe sucht händeringend nach Personal. Gerade erst hat die Branche ihre Corona-Durststrecke hinter sich gelassen, doch in den Gaststätten und Hotels bahnt sich eine handfeste Krise an. Die Leute fehlen – und es ist abzusehen, dass noch mehr Beschäftigte abwandern. Laut einer Umfrage der Gewerkschaft Nahrungsmittel-Genuss-Gaststätten (NGG) kann sich ein Drittel der Beschäftigten nicht vorstellen, noch lange im Gastgewerbe zu arbeiten.

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Die Zahlen sind erschreckend – denn bei der Befragung haben insbesondere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitgemacht, die schon länger in der Branche tätig sind. Dass gut ausgebildete Köche, Rezeptionistinnen oder Kellner bald fehlen werden, liegt demnach vor allem an der zu niedrigen Bezahlung. 80 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die Entlohnung zu niedrig sei. 70 Prozent fehlte es an Wertschätzung seitens des Arbeitgebers. Mehr als die Hälfte beklagte zudem, dass die psychische Belastung zu hoch (57 Prozent), die Arbeitszeiten nicht oder nur schwer mit dem Privatleben vereinbar (57 Prozent) oder nicht familienfreundlich seien (55 Prozent). Insgesamt nahmen mehr als 4000 Beschäftigte an der NGG-Umfrage teil.

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Fachkräftemangel schon vor Corona-Pandemie abzusehen

Dass 34 Prozent von ihnen damit liebäugeln, der Branche den Rücken zu kehren, ist für NGG-Chef Guido Zeitler eine „besonders alarmierende Zahl“. Bei der Vorstellung der Ergebnisse spricht er vom Fachkräftemangel, der sich zwar schon vor der Corona-Pandemie abzeichnete – sich allerdings durch die Krise noch einmal verschärfte. 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hätten seitdem die Branche verlassen. Viele hätten gemerkt, dass sie mit ihren Einkommen nicht in der Lage waren, sich in Krisenzeiten abzusichern, so Zeitler. Deshalb sei die Bezahlung auch „einer der ganz zentralen Punkte“, die sich ändern müssten. Das durchschnittliche Bruttogehalt liegt nach Gewerkschaftsangaben bei rund 2339 Euro.

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Was es heißt, wenn der Branche die Leute fehlen, wird bereits vielerorts sichtbar: Gaststätten streichen ihre Speisekarte zusammen oder führen einen zusätzlichen Ruhetag ein, Hotels bieten bestimmte Services nicht mehr an. „Die Gastro muss total umdenken“, lautet das Fazit der Befragung, das sich auf ein Zitat eines Teilnehmers bezieht und am Dienstag veröffentlicht wurde. Dabei rückt auch der Nachwuchs in den Fokus: Laut der Gewerkschaft machten 2021 gerade einmal 43.279 junge Menschen eine Ausbildung im Gastgewerbe, zehn Jahre zuvor waren es noch 77.087. „Dass wir einen Neustart brauchen, zeigt sich auch an den Ausbildungszahlen“, sagt Zeitler. Dass sich die Zahl der Ausbildungsplätze in den vergangenen Jahren mehr als halbiert habe, sei ein „deutlicher Hinweis“ auf die Fehlentwicklungen.

NGG fordert 3000 Euro Lohn als Minimum

Die Befragung wurde von Mai bis August 2022 durchgeführt. Eine Zeit also, in der Hotels und Restaurants geöffnet waren, Caterer wieder Aufträge bekamen und die Branche laut dem NGG-Vorsitzenden eigentlich „brummte“. Doch durch die Abwanderung mussten die verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr stemmen – ein Grund wohl, warum mehr als drei Viertel der Befragten angaben, den Personalmangel als belastend zu empfinden. Während der Pandemie waren etwa 80 Prozent der Befragten in Kurzarbeit.

„Vielen ist bewusst geworden, dass mehr Zeit für sich und andere wichtiger ist als mehr Geld“: Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie, Universität Leipzig.

Experte: Vier-Tage-Woche kann Burnout verhindern

Die Zahl von Unternehmen, die eine Vier-Tage-Woche anbieten, wächst in ganz Deutschland. Was kann die kürzere Arbeitswoche bewirken, was haben Unternehmen davon, ist sie wirklich ein Mittel gegen Personalnot? Dazu äußert sich der Leipziger Professor für Arbeitspsychologie Hannes Zacher.

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Die Gewerkschaft fordert unter anderem stärkere Tarifverträge und mehr Bezahlung. „3000 Euro pro Monat, das muss für Fachkräfte in Zukunft das Minimum sein. Das Gastgewerbe braucht einen Neustart“, sagt Zeitler. Außerdem pocht die NGG auf flächendeckende Kontrollen im Arbeitsschutz, die Einführung eines Mindestkurzarbeitergelds und warnt davor, das Arbeitszeitgesetz anzufassen. Eine weitere Forderung: Öffentliche Aufträge sollten nach Ansicht der NGG nur noch an tarifgebundene Unternehmen gehen.

Hotels und Gaststätten müssen höhere Kosten stemmen

Zum sowieso schon bestehenden Mangel an Personal kommt auf die Branche jedoch noch ein weiteres Problem zu. Die gestiegenen Energiepreise und die hohen Inflationsraten machen sich zunehmend im Gastgewerbe bemerkbar. Am Dienstag veröffentlichte das Statistische Bundesamt die jüngsten Zahlen der Branche. So lag der Umsatz im August (real, also bereinigt um Preiserhöhungen im Zuge der Inflation) um 5,4 Prozent niedriger als im August 2019 – also vor der Corona-Pandemie. Nominal (einschließlich der Preiserhöhungen) stieg er um 9,2 Prozent.

Laut dem deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat sich die Stimmung im Gastgewerbe zuletzt „dramatisch“ verschlechtert. Angesichts der hohen Kosten und gleichzeitig sinkender Umsätze würden rund 66 Prozent der Betriebe erneut um ihre Existenz bangen, heißt es in einer Mitteilung. Die hohen Kostensteigerungen könnten nur teilweise an die Gäste weitergegeben werden.

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