Care-Berufe werden in Deutschland besonders schlecht bezahlt
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Der Mangel an Pflegekräften macht sich jetzt schon in der Qualität der Pflege bemerkbar.
© Quelle: Christoph Schmidt/dpa
Wer in Deutschland Alte und Kranke pflegt oder Kinder erzieht, wird oftmals schlecht bezahlt: Angestellte in sogenannten Care-Berufe verdienen in den meisten europäischen Ländern mindestens so viel wie Beschäftigte in anderen Berufen, Deutschland bildet hingegen eine Ausnahme. Das geht aus einer Studie des Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen (Sofi) hervor, welche erstmals die Einkommen in Care-Berufen europaweit verglichen hat.
„Hierzulande verdienen Vollzeitbeschäftigte in den untersuchten Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales monatlich etwa 4 Prozent weniger als Vollzeitbeschäftigte im Durchschnitt des gesamten Arbeitsmarktes“, sagt Studienautor René Lehweß-Litzmann. Für die Untersuchung hat er Einkommensdaten aus 24 europäischen Ländern ausgewertet. In den meisten seien entsprechende Gehälter leicht überdurchschnittlich, schlechter als Deutschland schnitten nur Großbritannien, Lettland, Finnland und die Schweiz ab.
Dass Gehälter in den Care-Berufen Deutschland unterdurchschnittlich ausfallen, ist Lehweiß-Litzmann zufolge der Wirtschaftsstruktur geschuldet. „Es kann an der zahlenmäßigen Stärke gut bezahlter Beschäftigter in anderen Branchen wie der Automobilindustrie liegen“, glaubt der Soziologie und Volkswirt. Die Bundesrepublik gilt als einer der europäischen Staaten mit den meisten Industriearbeitsplätzen. Die bieten oftmals vergleichsweise gute Arbeitsbedingungen – und ziehen so die Durchschnittseinkommen nach oben.
Care-Personal mit geringer Qualifikation verdient schlecht
Allerdings klaffen Lehweiß-Litzmann zufolge in Deutschland besonders die Gehälter zwischen Gering- und Hochqualifizierten in Care-Berufen auseinander: „Dass Care-Beschäftigte insgesamt durchaus nicht schlecht verdienen, liegt an dem hohen Anteil von Beschäftigten mit Hochschulbildung und, etwa im Fall von Ärzten, deren erfolgreicher beruflicher Interessenvertretung“, hält er fest. Auch werde in Deutschland im Bildungsbereich tendenziell besser gezahlt, was auch Erzieherinnen und Erzieher einschließe.
Ganz anders sehe es allerdings bei Beschäftigten mit geringer Qualifikation aus. Diese würden auch anderswo weniger verdienen, aber „in Deutschland werden niedrig qualifizierte Betreuungskräfte im Gesundheitswesen und Kinder- und Lernbetreuer noch einmal deutlich schlechter entlohnt als im Durchschnitt europäischer Länder“. Sie verdienten hier nur hier nur 59 beziehungsweise 46 Prozent der durchschnittlichen Monatseinkommen aller Vollzeitbeschäftigten, berichtet Lehweiß-Litzmann.
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Schuld ist auch der Gender-Pay-Gap
Hauptgrund für die niedrigen Einkommen insbesondere bei Beschäftigten mit geringer Qualifikation ist ihm zufolge, dass Gewerkschaften in ihren Bereichen sehr schwach sind, Lehweiß-Litzmann spricht von „traditonell schwacher kollektiver Interessenvertretung“. Auch seien diese Beschäftigten besonders schlecht gegen Konkurrenz durch potenzielle Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger abgesichert. „Die Bezahlung von vorwiegend weiblich besetzten Care-Berufen wird auch durch den sogenannten Gender-Pay-Gap gedrückt“, betont Lehweiß-Litzmann außerdem. Eine Ausnahme seien dabei allerdings Ärztinnen und Ärzte sowie Hochschullehrerinnen und -lehrer.
Das Sofi erklärte am Dienstag, die Attraktivität von Pflege- und Erziehungsberufen sei Voraussetzung für eine ausreichende Daseinsvorsage: Arbeitskräfte würden knapper, zugleich steige die Nachfrage nach Care-Dienstleistungen, etwa in der Pflege und der Kinderbetreuung- und Erziehung. Mittlerweile stelle sich grundsätzlich die Frage, wie entsprechende Berufe heute und künftig ausreichend Personal anziehen könnten, erklärte das Institut – auch mit Blick auf die am Dienstag begonnenen Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen.