Schon wieder fehlt das Geld

Auto mit Solarzellenantrieb: Kommt der Sion doch nicht?

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Das Solarzellenauto Sion, das nun vielleicht niemals auf die Straße kommt.

München. Sie sind in einer Halle des Solarautopioniers Sono Motors in München zusammengekommen. Aber es könnte auch eine Trauergemeinde am Friedhof sein. „Wir haben versagt“, sagt Laurin Hahn und blickt in versteinerte Mienen. Er ist Sono-Mitgründer und erklärt seinem Personal gerade, dass dem Start-up das Geld ausgegangen ist. Der Traum eines Solarzellenautos, das sich unter der Sonne automatisch und kostenfrei lädt, droht endgültig zu platzen. „Vielleicht ist das das Ende des Projekts Sion, das ist hart“, stellt Hahn klar. Dann müsse man mit der Solartechnologie allein weitermachen, was nicht nur gut zwei Drittel der Belegschaft kosten würde, sondern auch den Plan, mit einem grünen Solarauto zur Rettung des Weltklimas beizutragen.

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Hahn und Mitgründer Jona Christians üben Selbstkritik. „Wir haben Fehler gemacht und die Komplexität unterschätzt“, räumt Hahn ein. Der neben ihm sitzende Christians nickt. Immer wieder kam Sand ins Getriebe. 2020 und damit bereits vier Jahre nach Sono-Gründung sollte nach ursprünglichen Plänen der erste Sion vom Band rollen. „Jetzt ist es Ende 2022 und wir haben die Produktion immer noch nicht gestartet“, räumt Hahn ein. 2024 sollte es jetzt endlich so weit sein. Aber dazu braucht es noch einmal weitere knapp 100 Millionen Euro.

Die sollen nun unter enormem Zeitdruck von potenziellen Sion-Käufern zur Verfügung gestellt werden, was für das unübliche Start-up kein Novum wäre. „Wir waren schon in Stürmen davor“, betont Christians. Er spielt damit vor allem auf eine Crowdfunding-Kampagne vor drei Jahren um die gleiche Jahreszeit kurz vor Weihnachten an. Damals mussten binnen weniger Wochen 50 Millionen Euro in die leeren Kassen kommen.

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Diesmal sollen sich 3500 potenzielle Sion-Käufer bereit erklären, den kompletten Kaufpreis von 27.000 Euro vorab zu überweisen. Rechnerisch macht das in der Summe 94,5 Millionen Euro, die bis Ende Januar 2023 aufgetrieben sein müssen. Es geht also um rund die doppelte Summe im Vergleich zu 2019.

21.000 Kunden haben bereits im Schnitt 2000 Euro vorfinanziert

„Berater sagen uns, entlasst 70 Prozent eurer Leute, restrukturiert die Firma, vergesst den Sion, vergesst eure Community, zahlt der das Geld zurück und konzentriert euch auf das, was Geld macht“, schildert Hahn die Lage. Dazu muss man wissen, dass rund 21.000 Sion-Interessenten ihr noch in der Entwicklung steckendes Solarzellenauto bereits mit im Schnitt 2000 Euro vorfinanziert haben. 43.000 Vorbestellungen gibt es insgesamt. Community nennt Sono die eigenen Kunden, weil der Wagen mit eigner App auf Carsharing ausgelegt ist. Er kann nicht nur Strom laden, sondern auch wieder abgeben, was intelligente Stromnetze der nahen Zukunft stabilisieren helfen würde.

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Der jetzige finanzielle Engpass ist weder der erste noch der zweite. Vor Jahresfrist hat Sono sich an die US-Börse Nasdaq gerettet. Das muss man so formulieren. Denn ohne dadurch eingesammeltes Geld wäre das Start-up damals insolvent geworden. Jetzt droht nicht die völlige Pleite.

Denn die Solarzellentechnologie des Sion wird mittlerweile in ersten Stadtbussen, Lastern oder Kühlfahrzeugen eingesetzt, um dort Reichweiten zu verlängern. Die Technologie spart auch Sprit bei Verbrennern. Für dieses zweite Standbein von Sono gibt es bereits zahlende Kunden und Umsätze. Aber Hauptzweck des Start-ups war immer ein Solarzellenauto wie der Sion.

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Das Sion-Projekt

Der deutsche Solarautopionier Sono Motors wurde 2016 von Laurin Hahn, Jona Christians und Navina Pernsteiner in München gegründet. Nach zwei Existenzkrisen konnte vor Kurzem ein seriennaher Prototyp ihres Solarzellenautos Sion präsentiert werden. 456 in die Karosserie integrierte Solarzellen sorgen bei ihm dafür, dass der Wagen im Schnitt wöchentlich 112 Kilometer Reichweite tankt, solange er unter freiem Himmel steht. Das sind 5800 Kilometer jährlich und damit die halbe Fahrstrecke, die ein Europäer im Jahresschnitt zurücklegt. Als Auftragsfertiger für den Sion wurde zuletzt Valmet in Finnland bestimmt. Auch die Produktion sollte unter strikt nachhaltigen Kriterien erfolgen. Mit dem großen Autozulieferer Bosch wurde zudem ein Servicepartner für künftig auf den Straßen fahrende Sion auserkoren. Geplant war, binnen sieben Jahren 257.000 Sion zu bauen. Dazu kann es nur kommen, falls sich Fans des Projekts spendabel zeigen. Einen Tag nach Start der neuen Kampagne zur Sion-Rettung haben 29 von 3500 benötigten Käufern den vollen Kaufpreis zugesichert.

„Wir können es nur mit euch schaffen“, appelliert Christians in einem Youtube-Video an zahlungswillige Sion-Käufer, nun erneut ihren Geldbeutel zu öffnen. „Wir glauben immer noch an den Sion“, bekräftigt Hahn. Die enttäuschten Gesichter der beiden Gründer sprechen eine andere Sprache. Hahn hält dagegen. „Energiekrise, Klimakrise, da sind viele Menschen, die labern nur rum, aber hier ist eine Lösung.“

Bei diesen Worten blickt er sich selbst über die Schulter. Hinter ihm steht der Prototyp eines Sion. Es gehe jetzt um den finalen Schritt zum Produktionsstart. „Wenn wir das schaffen, dann steht uns eigentlich nichts mehr im Weg“, träumt der Gründer unverdrossen. „Dann sind wir das Beispiel für ein komplett anderes Unternehmertum“, sagt er noch. Es könnte aber auch ein Beispiel des Scheiterns kurz vor der Ziellinie werden.

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