Start-up-Gründer: „Wir brauchen höhere Priorität für private Nachtzüge“

Elmer van Buuren, Gründer von European Sleeper.

Elmer van Buuren, Gründer von European Sleeper.

Berlin. Manche nennen den Niederländer Elmer van Buuren einen Eisenbahnnerd – schon als Jugendlicher las er Kursbücher im Bett und war fasziniert vom Bahnreisen über Nacht. Die Nachtzüge erleben gerade ein Comeback – und van Buuren mischt jetzt als Unternehmer mit. Von Prag über Dresden und Berlin nach Amsterdam und Brüssel soll sein privater Nachtzug ab Sommer führen – und auch für klimabewusste Mitglieder der neuen Bundesregierung attraktiv sein.

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Sie haben gerade den Fahrplan veröffentlicht, aber noch kein genaues Startdatum. Wann fährt der erste Nachtzug von Prag über Berlin nach Amsterdam und Brüssel?

Wir können noch kein genaues Datum sagen. Wir planen, zum Beginn des Sommers zu starten. Erst dreimal wöchentlich, und wenn der Zug angenommen wird, dann täglich. Die Verbindung via Berlin nach Warschau wird zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022 dazukommen.

Was sind die größten Herausforderungen, wenn man als Start-up einen internationalen Nachtzug auf die Schiene bringen will?

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Die Finanzierung ging überraschend schnell und glatt. Das hat 15 Minuten gedauert. Im Mai haben wir Aktien ausgegeben. Innerhalb von 15 Minuten hatten 350 Unterstützer insgesamt eine halbe Million Euro zugesagt. Alles andere ist schwierig, zeitraubend, und manchmal frustrierend. (lacht) Schlaf- und Liegewagen sind in ganz Europa schwer zu bekommen. Und das Schwierigste ist der Fahrplan, besonders in Deutschland ist das sehr kompliziert.

Wer liefert Ihnen die Wagen?

Wir arbeiten mit dem tschechischen Unternehmen Regiojet zusammen, das auch die Züge betreibt. Sie haben bereits Erfahrung mit Nachtzügen und planen weitere, zum Beispiel von Berlin nach Zagreb und Ljubljana. Regiojet ist auf der Suche nach Wagenmaterial zum Umbauen und Renovieren. Der Nachtzugmarkt ist in Bewegung. Aber wir als Start-up bekommen nicht die Finanzierung, um uns eigene Wagen zu kaufen.

Dieser Anblick könnte bald wieder Alltag werden: Reisende haben es sich im Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) auf der Fahrt von Zürich (Schweiz) nach Hamburg bequem gemacht (Archivbild).

Dieser Anblick könnte bald wieder Alltag werden: Reisende haben es sich im Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) auf der Fahrt von Zürich (Schweiz) nach Hamburg bequem gemacht (Archivbild).

André Schwämmlein, Chef von Flixmobility, sagte uns vor Kurzem, er wolle nicht in den Nachtzugmarkt einsteigen. Der sei zu kompliziert und würde nur ein spezielles Publikum ansprechen. Ist er nicht risikobereit genug?

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Ich würde nie sagen, dass Flixmobility das Risiko scheut. Was sie machen, ist riesig. Sie greifen mit Flixtrain die Deutsche Bahn an und öffnen damit den deutschen Markt auch für andere. Da kann ich nur applaudieren. Aber natürlich ist es komplizierter, Schlaf- und Liegenwagenzüge zu betreiben. Man transportiert auch weniger Menschen mit so einem Zug. Flixtrain befördert 100 Passagiere in einem Waggon. So möchte ich nicht lange Strecken reisen, aber sie haben ein Publikum, das auf den Preis schaut.

Was ist am Nachtzugreisen anders?

Wir werben um Reisende, die komfortabel in ihrem eigenen Abteil und ihrem eigenen Bett durch die Nacht fahren wollen. Die Zeit für sich haben wollen. Nachtzüge sind zurzeit noch ein Nischenmarkt, aber sie sind ein wachsender Markt.

In den Niederlanden ist der ganze Prozess der Fahrplanvergabe sehr transparent, in Deutschland ist er eine komplette Blackbox.

Elmer van Buuren,

Nachtzugunternehmer

Wieviel wird es kosten, mit Ihnen über Nacht zu fahren?

Der Durchschnittspreis sind 60 Euro. Ein Schlafabteil kostet mehr, Sitzwagen werden günstiger sein. An den Tagesrandzeiten können Sie auch Teilstrecken im Sitzwagen fahren, etwa von Dresden nach Berlin.

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Was ist in Deutschland besonders kompliziert am Fahrplanprozedere?

In den Niederlanden ist der ganze Prozess der Fahrplanvergabe sehr transparent, in Deutschland ist er eine komplette Blackbox. Es ist unmöglich, Informationen zu erhalten und zu überprüfen. Zudem ist DB Netz in verschiedenen Regionen organisiert: Um unseren Zug von Bad Bentheim an der niederländischen Grenze bis Bad Schandau an der tschechischen Grenze fahren zu lassen, haben wir mit drei verschiedenen Einheiten von DB Netz zu tun, in Hannover, Berlin und Leipzig. Das macht alles sehr zeitaufwendig. Zudem gibt es sehr viele Bauarbeiten, die die Züge verlangsamen.

Eigentlich sollte doch ein Antrag genügen.

Ja, offiziell melden wir unseren Zug bei dem niederländischen Infrastrukturmanager an und der kümmert sich um den Rest. Das ist die Theorie. Die Realität ist anders. Jeder denkt nur bis zur Grenze seines zuständigen Bereichs. Die Niederländer sagen: Der Zug überquert kurz vor 1 Uhr die Grenze bei Bad Bentheim, was danach passiert, interessiert uns nicht. Es ist alles sehr mühsam.

Wie sehr bremsen die Bauarbeiten den Zug aus?

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Ich gebe Ihnen ein Beispiel. 2023 ist die direkte Strecke zwischen Berlin und Dresden gesperrt, alle Züge müssen einen Umweg fahren. Statt knapp zwei Stunden sollen wir dann drei Stunden unterwegs sein. Die anderen Züge auf der Strecke haben nicht so eine große Verzögerung. Für uns bedeutet das: Entweder müssen wir schon um 5 Uhr morgens in Berlin sein, oder wir kommen erst um 1 Uhr nachmittags in Prag an. Beides wäre kein attraktiver Fahrplan mehr.

Die EU und auch die neue Bundesregierung wollen mehr Nachtzüge auf die Schienen bringen und so den Flugverkehr reduzieren – was muss sich dafür ändern?

Die Politiker müssen jedenfalls mehr tun, als am Bahnhof zu stehen und zu winken, wenn eine neue Verbindung eröffnet wird. Sie müssen investieren: Wir brauchen mehr Schienen für mehr Kapazitäten, wir brauchen höhere Priorität für private Nachtzüge wie unseren und einen Fahrplanprozess, der wirklich funktioniert. Sonst ändert sich zu wenig.

Ist Ihre Verbindung attraktiv genug für Geschäftsreisende – und auch für Politikerinnen und Politiker der neuen Bundesregierung auf dem Weg zwischen Berlin und Brüssel?

Auf jeden Fall. Nachtzugreisen ist intelligentes Reisen. Es ist nicht der schnellste Weg, sondern der, bei dem man Zeit für sich hat oder für die Dinge, die man erledigen möchte – ein Buch lesen, die Arbeit des nächsten Tages vorbereiten oder endlich all die eingegangenen Emails beantworten. Unsere Ankunftszeiten sind auch für Geschäftsreisende jeder Art attraktiv.

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