Wegweisendes Urteil: Hoffnung für Zehntausende Riester-Sparer
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Eine Rentnerin hält verschiedene Euroscheine in ihren Händen.
© Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
München. Es ist ein Urteil, das viele Riester-Sparerinnen und -Sparer hoffen lässt und Versicherer wohl ins Grübeln bringt. „Wir schätzen, dass in jedem Fall Zehntausende Verträge betroffen sind“, sagt Britta Langenberg. Sie ist Vorsorgeexpertin der Bürgerbewegung Finanzwende. Die hat vor Jahresfrist einen Kölner bei der Einreichung einer Klage gegen den Lebensversicherer Zurich Deutsche Leben unterstützt, weil dessen Fall Grundsatzcharakter beigemessen wurde. Zurich hatte 2017 dem damals 43-jährigen Vorsorgesparer mitgeteilt, dass die ihm ab 2039 zugesagte Riesterrente nun doch nicht rund 485 Euro monatlich beträgt, sondern nur 360 Euro, schildert Langenberg den Fall. Begründet wurde das mit der damaligen Niedrigzinsphase. Nach einigem Hin und Her kam es 2022 dann zur Klage.
Das Urteil mit dem Aktenzeichen AZ 26 O 12/22 ist bislang vom Landgericht Köln noch nicht veröffentlicht worden, liegt den Streitparteien aber schon vor. „Die Klausel ist nichtig, das ist ein ganz klarer Erfolg für Verbraucher“, fasst Langenberg es zusammen. Die Riester-Rente dürfe von Zurich nicht einseitig gekürzt werden, nur weil die Finanzmärkte schlecht laufen. „Das Urteil hat uns überrascht“, erklärt ein Zurich-Sprecher als Reaktion. Man analysiere diesen ersten Spruch in einer sehr komplexen juristischen Frage nun und werde dann weitere Schritte entscheiden. Revision ist bis in den März hinein möglich.
Landgericht Köln missfiel vor allem die Einseitigkeit der Klausel
Dem Landgericht Köln hat offenbar vor allem die Einseitigkeit einer Klausel im Riester-Vertrag des Klägers missfallen. Darin räumt sich Zurich das Recht ein, einen im Vertrag fixierten Rentenfaktor im Extremfall bis einen Tag vor Rentenbeginn nachträglich zu kürzen, falls es dafür ein „wirtschaftliches Erfordernis“ wie anhaltend niedrige Zinsen gibt. Dieser Faktor ist eine Art Multiplikator, der für die Berechnung der späteren Rente ausschlaggebend ist. Im Kölner Fall hatte dessen Kürzung die monatliche Riester-Rente um rund 120 Euro vermindert. Für den Fall, dass es am Kapitalmarkt aber besser läuft, als bei Vertragsabschluss erwartet, bietet Zurich dagegen keine Aufstockung des Faktors und damit der Monatsrente an. Vor allem deshalb hat das Gericht die ganze Klausel kassiert.
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© Quelle: dpa
Das sei auch nicht dadurch zu heilen, dass in bestehenden Verträgen nun die Möglichkeit einer solchen Aufstockung noch eingeräumt wird, sagt Knut Pilz. Er ist Anwalt des Klägers aus Köln und als solcher Experte für Versicherungsrecht. Deshalb habe das Urteil auch Signalwirkung über den Einzelfall hinaus. Es betreffe Riester-Sparerinnen und -Sparer mit fondsgebundenen Anlagen, wie im Fall seines Mandanten. Die habe in Deutschland vor allem Marktführer Allianz verkauft und ebenfalls schon teils in einzelnen Verträgen mehrmals vom vermeintlichen Recht auf Rentenkürzung Gebrauch gemacht. Zurich ist in Deutschland die Nummer sechs der Branche und damit auch ein Schwergewicht.
Nur fondsgebundene Riester-Verträge sind betroffen
Das Kölner Urteil ist das erste in der so komplexen wie bedeutenden Materie. Fondsgebundene Riester-Verträge haben sich zuletzt immer größerer Beliebtheit erfreut. Für die Tragweite des Urteils kommt es aber auf die jeweilige Klausel an. Zumindest in einigen Zehntausend Verträgen dürfte sie ähnlich wie im Fall Zurich enthalten sein, was bereits schon zu Rentenkürzungen geführt hat oder aber sie im Raum stehen lässt.
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Wenn wie im beklagten Fall einfach ein Viertel der ursprünglich vereinbarten Rente gekürzt werden kann, torpediere das den Vorsorgegedanken an entscheidender Stelle, kritisiert Langenberg. Es gebe dann keine Planbarkeit der Vorsorge mehr. Vielen Betroffenen seien die Kürzungen möglicherweise noch gar nicht richtig bewusst geworden, weil es noch in der Einzahlungsphase stehende Verträge betrifft, die erst ab 2035 nach und nach fällig werden. „Gerade bei staatlich geförderten Verträgen wie Riester sollte es ein Fairplay geben, die Spielregeln müssen verständlich sein“, fordert die Verbraucherschützerin. Eine einseitig zu Lasten des Verbrauchers oder der Verbraucherin gehende Klausel im Kleingedruckten zu verstecken sei unzulässig, wie das Gericht bestätigt habe.
Pilz wiederum warnt Betroffene, die sich nicht frühzeitig wehren, vor Verjährungsrisiken. Die gäbe es vor allem drei Jahre nach Rentenbeginn und vorausgegangener Rentenkürzung mit Berufung auf die Klausel. Aber auch Vorsorgesparerinnen und -sparer, die noch in der Ansparphase stehen, könnte es treffen. Wer die Ankündigung einer Rentenkürzung lange unwidersprochen hinnehme, könne sich juristisch in eine Verwirkung begeben und damit ebenfalls Verjährung auslösen. Auf der anderen Seite kann sich Widerspruch lohnen, wie das Kölner Urteil zeigt.