Neubaustopp bei Vonovia: scharfe Kritik an Deutschlands größtem Vermieter
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Der Schriftzug des Wohnungsunternehmens „Vonovia" hängt an der Firmenzentrale. Der Bochumer Konzern will 2023 keine Neubauprojekte starten.
© Quelle: Marcel Kusch/dpa/Archivbild
Berlin. Der am Dienstag verkündete Neubaustopp bei Vonovia sorgt für harsche Kritik an Deutschlands größten Wohnungsunternehmen: „Sich auf Vonovia zu verlassen stellt sich als großer Fehler heraus“, sagte Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Profitgetriebene Konzerne sind kein verlässlicher Partner beim Wohnungsbau, sie bauen nur, wenn es sich schnell rentiert“, erklärte die Politikerin weiter – und war am Mittwoch mit ihrem Ruf nach mehr Unterstützung für gemeinnützige Wohnungsunternehmen nicht allein.
Entwicklungsvorstand Daniel Riedl hatte zuvor am Dienstag gegenüber der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ erklärt, dass Vonovia 2023 mit keinen neuen Neubauprojekten beginnen werde. Grund seien die gestiegenen Zinsen und Baukosten sowie Unsicherheiten bei der Förderung. Die Alternative zum Baustopp seien wegen der hohen Kosten deutlich teurere Mietwohnungen. Bei dem in Bochum ansässigen Konzern sprach man von 20 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter statt wie früher 12 Euro.
Preise deutlich gestiegen – Vivawest will weiter bauen
Vonovia ist mit dem Schritt nicht allein, allerorts halten sich gerade Wohnungs- und Bauunternehmen zurück. Am Mittwoch bestätigte das Statistische Bundesamt die deutlichen Preissteigerungen beim Bau: Materialien verteuerten sich 2022 demnach um 14 Prozent, die Arbeiten am Bau von Wohnungen um 16,4 Prozent. Er hoffe sehr, dass die Preise am Bau bald wieder bröckelten, sagte dazu Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses (ZIA), dem RND – und betonte zugleich, dass auch die hohen Zinsen, der Wegfall der Neubauförderung sowie die seit Jahren gestiegenen Kosten für Abgaben und für Klimaschutz gravierende Auswirkungen hätten.
Allerdings fahren nicht alle Wohnungsunternehmen ihre Aktivitäten runter: „Vivawest hält trotz schwieriger wirtschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen an ihrem nachhaltigen Geschäftsmodell fest und wird grundsätzlich weiter in energetische Modernisierungen und den Neubau von Wohnungen investieren“, sagte ein Sprecher auf RND-Anfrage. Was den Umfang beziehungsweise die Größenordnung betreffe, werde man die Preis- und Zinsentwicklungen der vergangenen Monate berücksichtigen. „Dennoch werden wir in einer Größenordnung weitermachen, mit der wir einen Beitrag sowohl zum Klimaschutz als auch zu dringend benötigtem Wohnraum leisten können.“
Bauministerium kritisiert Vonovia und pocht auf Neubau
Vonovia hingegen hat einen Baustopp verkündet, obwohl das Unternehmen etwa 2 Milliarden Euro Gewinn erwartet. Aus Sicht von Kritikerinnen und Kritikern gibt es deshalb eigentlich Spielraum für Investitionen: „Vonovia sollte Dividendenzahlungen einstellen und das Geld zur Absicherung des Neubaus verwenden“, sagte Cansel Kiziltepe dem „Handelsblatt“.
Ins gleiche Horn wie die SPD-Politikerin und parlamentarische Staatsekretärin im Bauministerium stieß der stellvertretende IG-Bau-Chef Harald Schaum: „Genau in der Zeit, in der Kriegsflüchtlinge kommen und die Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen immer länger werden, zeigt Vonovia die kalte Kommerzschulter“, so der Gewerkschafter.
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Dass die angepeilten 400.000 neuen Wohnungen 2022 und 2023 jährlich nicht erreicht werden, hatte zuletzt auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) eingeräumt. Womöglich ist der Bedarf sogar noch größer: Das Verbändebündnis Soziales Wohnen sprach zuletzt von 700.000 Wohnungen, die 2023 wohl fehlen würden. Doch wie Lösungen dafür aussehen könnten, darüber gehen die Meinungen auseinander: „Die Herstellung von Wohnungen ist durch staatliche Regulierung und Abgaben so teuer geworden, dass entweder eine Förderung von 10 Milliarden Euro oder ein Zurückfahren des Staates bei den Auflagen erforderlich ist“, meint etwa ZIA-Präsident Mattner.
Linken-Politikerin Lay: Keine Mehrwertsteuer auf Sozialwohnungen
Mit Blick auf Vonovia ist es mit zusätzlichen Geldern womöglich nicht getan, die Kritikerinnen und Kritiker wollen gezielt gemeinnützige Akteure fördern: „Mit Steuererleichterungen für Gemeinnützige und der Abschaffung der Mehrwertsteuer für Sozialwohnungen können wir dafür sorgen, dass bezahlbare Wohnungen neu entstehen“, so Linken-Politikerin Lay. Die letzten verbleibenden innerstädtischen Grundstücke sollten zudem für den sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau reserviert werden – und zwar zu gedeckelten Preisen.
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© Quelle: dpa
Auch Schaum sprach sich für einen Fokus auf gemeinnützige Akteure aus. Bei kommunalen Wohnungsgesellschaften zeige sich, dass diese für Wohnungsbauprojekte auf Eigenkapital zurückgriffen, anders als Unternehmen wie Vonovia. „Wenn börsennotierte Konzerne nur kurzfristig finanzieren, haben sie natürlich ein Problem“, erklärte Schaum.
IG Bau fordert Bund auf, bei Vonovia einzusteigen
Er forderte außerdem den Bund auf, mit 25 Prozent plus einer Aktie bei Vonovia einzusteigen, um eine Sperrminorität bei dem Dax-Konzern zu bekommen. „Der Staat würde damit Einfluss auf die langfristige Strategie bei Vonovia bekommen“, hofft Schaum, der außerdem ein Signal setzen will: „Der Staat würde damit deutlich machen, dass er sich – nach vielen Privatisierungen – auf dem Wohnungsmarkt wieder einmischt.“
Der Staat würde damit Einfluss auf die langfristige Strategie bei Vonovia bekommen.
Harald Schaum,
stellvertretender IG-Bau-Chef
Zudem erneuerte er die Forderung nach üppigen Finanzmitteln für den sozialen Wohnungsbau: „Notwendig ist ein Sondervermögen „Soziales Wohnen“ – 50 Milliarden Euro bis 2025, also bis zum Ende der Legislaturperiode“, sagte Schaum. Wenn Menschen keine Wohnung fänden, sei das sozialer Sprengstoff. „Und der fliegt uns um die Ohren – noch in diesem Jahr“, mahnte Schaum.
Konzept der Wohngemeinnützigkeit soll wiederbelebt werden
„Gerade jetzt, wo der Neubau zurückgefahren wird, brauchen wir dringend eine neue Wohngemeinnützigkeit und deutlich mehr Fördermittel für den bezahlbaren und klimagerechten Wohnungsbau“, sagte auch Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten. Er forderte die Bundesregierung außerdem auf, für eine effektive Mietenbegrenzung zu sorgen, um kurzfristig für Abhilfe gegen die wegen des Wohnungsmangels steigenden Mieten zu sorgen.
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Das Ende des Baubooms: Wo sollen nur 400.000 neue Wohnungen herkommen?
Der Bau rutscht in die Krise: Inflation, fehlende Baustoffe und Zinswende machen der Branche zu schaffen. Immer mehr Fachleute warnen vor einem Absturz. Schon in ihrem ersten Amtsjahr steckt die neue Bauministerin Klara Geywitz in ihrer größten Bewährungsprobe.
Das gilt womöglich auch für die von Vonovia genannten 20 Euro Miete pro Quadratmeter: „Oftmals werden solch wucherische Mieten nicht aufgrund gestiegener Baupreise, sondern aus Profitgründen verlangt, das muss vom Gesetzgeber sanktioniert werden“, meint Siebenkotten. Initiativen gegen Mietwucher seien zuletzt aber an Bundestag und Bundesregierung gescheitert.