VW macht Rekordgewinn und legt das Geld zukunftsträchtig an
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Volkswagen hat sich von der Pandemie erholt und im ersten Halbjahr seinen Umsatz stark gesteigert.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Hannover. Finanziell hat der VW-Konzern die Corona-Krise hinter sich. In den vergangenen sechs Monaten verdiente der Autohersteller mehr als je zuvor in einem ersten Halbjahr, die Prognose für das Gesamtjahr wurde heraufgesetzt. Damit fällt die jüngste Akquisition leicht: Zusammen mit zwei Partnern kauft VW den Autovermieter Europcar im Wert von 2,9 Milliarden Euro.
Herbert Diess hat große Pläne mit der Neuerwerbung: „Wir haben keine Autovermietung gekauft“, sagte der VW-Chef in einer Telefonkonferenz: „Wir wollen daraus eine große Mobilitätsplattform machen.“ Der Konzern hat vor einigen Wochen bereits die Entwicklung einer eigenen App angekündigt, über die alle Angebote vom Mietwagen über Carsharing bis hin zu Fahrdiensten und eines Tages Robotaxis gebucht werden können.
„Wir werden die Autovermietung neu erfinden“, sagte Diess. In Teilen gibt es allerdings ein Vorbild, dessen Namen der VW-Chef nicht in den Mund nahm: „Ein Wettbewerber macht gute Fortschritte bei der Kombination von Vermietung und Carsharing.“ Gemeint ist Sixt, wo man bereits vor zwei Jahren die verschiedenen Geschäfte auf einer gemeinsamen Plattform gebündelt hat und dieselben Autos mal im Carsharing und mal in der Vermietung einsetzt. „Das ergibt viel Sinn“, sagte Diess.
Es ist kein Geheimnis, dass VW deshalb auch einen Einstieg bei Sixt geprüft hat. Das dürfte aber sowohl am Preis als auch an Machtfragen gescheitert sein. In München hat die Familie Sixt das Sagen, bei Europcar in Paris kann VW weitgehend durchregieren.
Beide Unternehmen sind ähnlich groß. Während Sixt aber als kerngesund gilt, kämpfte Europcar jahrelang mit Problemen, die durch die Corona-Krise noch verschärft wurden. Das Unternehmen vermietet nach eigenen Angaben an 3500 Stationen vorwiegend in Europa rund 360.000 Fahrzeuge an jährlich fünf Millionen Kunden.
Zweiter Versuch
Es ist nicht VWs erster Versuch mit Europcar. Um die Jahrtausendwende gehörte das Unternehmen schon einmal zum Konzern, auch damals wollten viele Autohersteller zu Mobilitätskonzernen werden. Doch 2006 stieg VW wieder aus, um sich, wie andere auch, wieder auf das Kerngeschäft mit Autos zu konzentrieren. „Die Voraussetzungen waren andere“, sagt Diess, der damals noch nicht an Bord war.
Für die Übernahme ist die Green-Mobility-Holding gegründet worden, an der die Wolfsburger die Mehrheit halten. Beteiligt sind außerdem die Pon-Holding, niederländischer VW-Importeur und langjähriger Geschäftspartner des Konzerns, sowie der britische Finanzinvestor Attesto, der vorher bereits am börsennotierten Europcar beteiligt war.
Gemeinsam bieten sie 50 Cent pro Europcar-Aktie und haben 68 Prozent der Anteile bereits sicher. Das Ziel ist aber die vollständige Kontrolle: Für Aktien jenseits der 90-Prozent-Marke gibt es 51 Cent. So will das Konsortium einen Anteil erreichen, mit dem die freien Aktionäre hinausgedrängt werden können.
Der Preis ist relativ günstig, denn im vergangenen Herbst war der Europcar-Kurs abgestürzt, als das Unternehmen in finanzielle Schieflage geriet und eine Umschuldung aushandeln musste. Vor einem Jahr kostete die Aktie gut 80 Cent, vor drei Jahren waren es mehr als 4 Euro.
Der Preis ist für VW aktuell aber das kleinste Problem. Ende Juni lagen 35 Milliarden Euro verfügbar in der Kasse, fast doppelt so viel wie vor einem Jahr. Finanzvorstand Arno Antlitz sprach von einer „extrem robusten“ Liquidität. Sie ist das Ergebnis von Einsparungen, der Markterholung nach dem Lockdown und einer Absatzverschiebung hin zu den teureren Fahrzeugen.
Erholung von der Pandemie
Im ersten Halbjahr verkaufte der Konzern weltweit fünf Millionen Autos. Das waren 28 Prozent mehr als im pandemiebelasteten Vorjahreszeitraum, aber weniger als im ersten Halbjahr 2019. Der Umsatz dagegen kletterte noch stärker auf 129,7 Milliarden Euro, die Einnahmen pro Auto sind also gestiegen.
Das ist für VW die angenehme Seite eines gravierenden Problems: Der Chipmangel bremst die Produktion. Viele Rabatte, mit denen die Autobranche sonst den Absatz antreibt, kann man sich jetzt sparen. Außerdem werden die knappen Halbleiter in der Produktion so verteilt, dass vorzugsweise die teureren, gewinnträchtigeren Modelle vom Band rollen. Gleichzeitig belastete der Teilemangel aber das Geschäft vor allem in China.
So sprang der operative Gewinn nach dem Verlust vom Vorjahr auf 11,4 Milliarden Euro und liegt damit über dem Vorkrisenwert von 2019. Der Nettogewinn kletterte auf 8,5 Milliarden Euro, nachdem es in der ersten Hälfte 2020 noch eine Milliarde Euro Verlust gegeben hatte. Die wichtigsten Gewinnbringer waren Audi mit 3,1 Milliarden, Porsche mit 2,7 Milliarden und VW Financial Services mit 2,5 Milliarden Euro.