Wanderschuhspezialist Lowa: Warum den Bayern die Schuhe aus den Händen gerissen werden
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Wandern ist auch in der jüngeren Generation derzeit in.
© Quelle: Nicolas Armer/dpa/dpa-tmn
Jetzenbach. Zeitweise musste Lowa für Neukunden einen Aufnahmestopp verhängen. „Den gibt es aktuell nicht mehr, aber wir hätten dieses Jahr 10 bis 15 Prozent mehr verkaufen können, als unsere Kapazitäten hergeben“, stellt Alexander Nicolai klar. Mit wackligen Lieferketten habe das nichts zu tun, betont der Geschäftsführer des Berg- und Wanderschuhherstellers aus Jetzendorf in Oberbayern. Denn der fertigt im Gegensatz zu Hauptkonkurrenten wie Meindl ausschließlich am Firmensitz und anderswo in Europa.
Junge Menschen haben das Wandern für sich entdeckt
Lieferfähig war Lowa auch, als Rivalen auf Ware aus Fernost warten mussten, weil dort die Pandemie zugeschlagen hatte. Was die Bayern dennoch an ihre Grenzen bringt, sind die Kunden und seit Monaten überbordende Nachfrage. „Nach den Corona-Erfahrungen wollen die Leute wieder raus in die Natur und entspannen“, erklärt Nicolai den Boom.
Selbst junge Menschen, die sonst nicht zur 35 bis 65 Jahre alten Kernklientel seiner Branche zählen, würden derzeit den Absatz ankurbeln. Auch sie haben in Pandemiezeiten das Wandern für sich entdeckt „Das stimmt mich auch optimistisch, dass unser Wachstum von Dauer ist“, erklärt der Manager in einem Besprechungsraum am Firmensitz. Am Tisch vor ihm ist das Produktportfolio aufgereiht. Es reicht von modernen Berg- und Wanderschuhen für Frauen, Männer und Kinder über Hightechtreter für Alpinisten bis zu trendigen Leichtwanderschuhen, die auch für den Alltag taugen. Im Programm sind zudem Schuhe für Militär und Polizei.
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Auf gut 3,1 Millionen Paar Schuhe und 229 Millionen Euro Umsatz hat sich das voriges Jahr aufsummiert. Für 2022 sind 3,2 Millionen Paar und und 235 Millionen Euro als neue Höchstmarken angepeilt, was den zur italienischen Tecnica-Gruppe zählenden Mittelständler zum Marktführer macht. „Wir sind die Nummer eins bei Berg- und Wanderschuhen in der DACH-Region“, sagt Nicolai und meint damit Deutschland, Österreich und die Schweiz. Zugleich ist Lowa der größte Wanderschuhhersteller Europas, der ausschließlich auch dort fertigt.
Einen Marktführer am Ende des Weges nach Jetzenbach anzutreffe, vermutet man immer weniger, je näher es vorbei an Feldern zur Firmenzentrale geht. Dort, gut 50 Kilometer nördlich von München, ist es ländlich. Die Dörfer werden immer kleiner. Lowa ist möglicherweise der einzige heimische Marktführer, von dessen Fenstern aus man Misthaufen sehen kann. Aber die Bayern haben neben „hergestellt in Europa“, was Lieferfähigkeit und Imagegewinn beim Kunden mit sich bringt, noch einen weiteren Trumpf im Ärmel. Das ist Qualität.
„Unsere Schuhe werden im Schnitt fünf bis zehn Jahre lang getragen“, sagt Nicolai. Er weiß das auch durch den Reparaturservice von Lowa für gebrauchte Schuhe, der immer stärker nachgefragt wird. 18.000 Paar wurden zuletzt im Jahr neu besohlt oder anderweitig repariert. „Wir bekommen da Schuhe, die teils Jahrzehnte alt sind, eines der bisher ältesten Modelle war der Lowa Trekker und stammte von 1982″, sagt der Outdoor-Manager mit einigem Stolz. Gut eingelaufene Schuhe, mit denen man angenehme Erinnerungen verbinde, werfe man eben nicht so einfach weg.
Outdoorschuhe werden teils noch per Handarbeit gefertigt
Für eine Outdoor-Firma wie Lowa, die vom Reiz der Natur lebt, sei es zudem wichtig, nachhaltig zu sein. „Ein langlebiges Produkt ist sehr nachhaltig, weil es den bei der Fertigung entstehenden ökologischen Fußabdruck auf viele Jahre verteilt“, findet Nicolai. Zudem seien verwendete Materialien schadstoffgeprüft und wie das Leder aus europäischen Gerbereien zertifiziert. Bei der Verwendung von Recyclingmaterial seien dagegen Grenzen gesetzt, weil das sonst auf Kosten der Haltbarkeit ginge. Hohe Produktlebensdauer sei aber wichtiger.
Qualität und Haltbarkeit erschließt sich bei einem Rundgang durch die Fertigung in Jetzenbach. So mancher Produktionsschritt ist Handarbeit. Es braucht Erfahrung. Deshalb kann man Produktionskapazitäten nicht so einfach erhöhen. Neben Maschinen mit monatelangen Lieferzeiten ist Fachpersonal nötig. Wegen der Übernachfrage hat Lowa beschlossen, 10 Millionen Euro in Kapazitätsaufstockung zu stecken. Möglichst im Lauf des nächsten Jahres sollen dann bis 3,6 Millionen Paar Schuhe gefertigt werden können, hofft Nicolai.
Es begann mit Haferlschuhen
Im beschaulichen Jetzendorf nördlich von München gründete Schuhmachersohn Lorenz Wagner 1923 die Firma Lowa. Die ersten beiden Buchstaben seines Vor- und Nachnamens standen dabei Pate. Startprodukt waren Haferlschuhe, ein traditionelles Schuhmodell alpenländischer Bevölkerung. Perfekte Passform stand damals schon im Fokus. In den 30er-Jahren kamen Bergschuhe dazu, um die sich heute zusammen mit Wanderschuhen alles dreht. Lowa beschäftigt 2300 Leute, 280 davon am Firmensitz. Ab 1970 kam Kunststoff als neues Material neben Leder dazu, das die Schuhe immer leichter macht. Früher gut zwei Kilogramm schwere Bergschuhe wiegen heute im Schnitt noch unter 600 Gramm. Mit Profimodellen wurden Himalaya-Expeditionen ausgerüstet. 1993 verkaufte die Gründerfamilie Wagner mehrheitlich an die italienische Tecnica-Gruppe, zu der Wintersportmarken wie Nordica und Blizzard, aber auch Rollerblade oder Moon Boot zählen. Der Absatz wurde globalisiert. Lowa verkauft in 80 Ländern.
Das alles hat seinen Preis. 160 bis 280 Euro kosten die meisten Lowa-Schuhe im Schnitt. Wegen steigender Materialkosten wurden die Preise zuletzt modellweise um 5 bis 10 Prozent erhöht. Ob die aktuell allgemeinen Inflationssprünge auch bei Outdoorschuhen neue Preissprünge auslösen, ist noch unklar.
Auch ob nächstes Jahr die Nachfrage so hoch bleibt, bleibt angesichts Rezessionsängsten und Kaufkraftverlusten offen. „Das Jahr 2023 wird spannend“, räumt Nicolai ein. „Grundsätzlich ist Outdoor ein nachhaltiger Trend“, schätzt er. Außerdem wird Lowa nächstes Jahr 100 Jahre alt. Da wolle man sich über noch geheime Jubiläumsangebote sowie diverse Veranstaltungen in den Alpen rund um Garmisch-Partenkirchen und am Firmensitz in Jetzendorf auch eine Art Firmenkonjunktur schaffen. Bange vor der Zukunft ist den Jetzendorfern auch in allgemeinen Krisenzeiten nicht.