Wenn das Auto die Pizza bezahlt
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Das Internet hält Einzug ins Auto (Symbolfoto).
© Quelle: Getty Images
Hannover. Service rund um das Auto – das erschöpfte sich jahrzehntelang in der unvermeidlichen Versicherung und vielleicht noch einem seitenlangen Kreditvertrag. Doch die Vernetzung der Autos krempelt das Geschäft um. „Mit Elektroantrieb und Digitalisierung bieten sich komplett andere Möglichkeiten“, sagt Franz Reiner, Vorstandschef der Daimler Mobility AG.
Zum Auto die Wallbox
Elektroautos werden nicht nur öfter geleast als gekauft, sie brauchen auch Zusatzleistungen wie Wallbox und Ladekarte. Und sie sind komplett vernetzt. Bevor die Kundschaft – samt ihren Nutzungsdaten – mit diesen Wünschen bei Spezialdienstleistern landet, haben die Autohersteller ihr eigenes Angebot etwa um Stromverträge erweitert.
Der Umbruch geht aber auch am Stammgeschäft nicht vorbei. Bis 2019 hieß das Unternehmen Daimler Financial Services, und die Finanzierung der Fahrzeuge ist immer noch die wichtigste Aufgabe der insgesamt 13.000 Beschäftigten. Das gehe inzwischen aber innerhalb von Minuten, sagt Reiner: „In einigen großen Märkten gibt es heute schon die Kreditentscheidung, bevor die Tasse Kaffee getrunken ist.“
Kunden geben am Computer ihre Daten ein, die werden sekundenschnell mit dem persönlichen Rating zum Beispiel bei der Schufa abgeglichen – und das Auto ist online gekauft. Nach weniger als zehn Minuten soll der Kredit ausgezahlt sein.
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Franz Reiner, Vorsitzender des Vorstands der Daimler Mobility AG.
© Quelle: Daimler AG
Die Akzeptanz bei den Kundinnen und Kunden sei hoch, sagt Reiner, und der Datenschutz gesichert:. „Die Daten bleiben bei uns, das gehört zum Qualitätsanspruch.“ Das gehört allerdings auch zum Geschäftsmodell, denn seit Jahren ist es die Sorge der Autohersteller, dass ihnen Internetkonzerne wie Google, Apple und Amazon den Kundenkontakt streitig machen – weil sie mit dem Smartphone auch ins Auto kommen.
Die Hersteller versuchen, ihr Terrain zu verteidigen. So gilt „In-Car-Payment“ als Markt der Zukunft: Das Auto löst Zahlungen aus – für Parkgebühren, Maut, Fahrzeugmiete oder „getankten“ Strom. Und irgendwann für alles, was man online kaufen kann: „Ich werde die Pizza beim Lieblingsitaliener aus dem Auto bestellen und bezahlen können“, sagt Reiner. „Das ist gar nicht so weit weg.“
Zahlung unabhängig vom Smartphone
Bisher läuft die dafür nötige Authentifizierung des Käufers im Auto über das Smartphone, doch davon will sich Daimler lösen: „Unser nächster Schritt ist die biometrische Authentifizierung über das Fahrzeug“, sagt Reiner. Dann könnten Zahlungen sicher und unabhängig vom Smartphone über das MBUX-System im Mercedes abgewickelt werden. Im nächsten Jahr soll es so weit sein.
In der Branche wird auch über neue Softwareprodukte nachgedacht, die zum Teil erst mit Elektroautos möglich werden. Befristet mehr Motorleistung und Assistenzsysteme zum Beispiel, oder Updates mit neuen Funktionen. Doch bisher weiß niemand, wofür Kunden tatsächlich zahlen werden und was nur als Service zum Nulltarif mitgenommen wird. Auch Reiner legt sich nicht fest: „Manches wird Zusatzangebot sein, anderes zum Paket gehören. Bezahlter Service muss Topniveau haben.“ Vor allem aber sollen neue Dienstleistungen die Kunden ans Unternehmen binden.
Nutzung wird immer flexibler
Das gilt auch für Gelegenheitsfahrer, die gar kein eigenes Auto mehr brauchen. „Schon seit einigen Jahren verlagert sich der Bedarf vom Besitz zur Nutzung“, sagt Reiner. Es ist der Trend, der seinem Unternehmen den neuen Beinamen „Mobility“ brachte.
Dabei zähle immer mehr Flexibilität, erklärt er. Das Spektrum reicht von Leasing über Miete bis Carsharing und Mitfahrservice: „Von Jahren zu Minuten, könnte man sagen.“ Wenn Autos so spontan genutzt werden, verliert der klassische Kauf an Bedeutung. Mit ihren Rundumpaketen sollen die Mobilitätstöchter der Hersteller die Kunden trotzdem bei der Stange halten.