Eisverlust Grönlands: 27 Zentimeter Meeresanstieg sind nicht mehr vermeidbar
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Eisberge brechen von einem Gletscher in einen Fjord in Grönland (Archivbild).
© Quelle: David Goldman/AP/dpa
Kopenhagen. Selbst bei einem sofortigen Stopp des Ausstoßes von Treibhausgasen würde das Abschmelzen des Grönländischen Eisschilds den weltweiten Meeresspiegel noch um gut 27 Zentimeter steigen lassen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die nicht auf Berechnungen mit Computermodellen basiert, sondern Messungen aus den Jahren 2000 bis 2019 als Grundlage nutzt. Die Gruppe um Jason Box vom Geological Survey of Denmark and Greenland in Kopenhagen (Dänemark) hat ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Nature Climate Change“ veröffentlicht.
Mit Modellrechnungen lasse sich nicht genau vorhersagen, was mit dem Grönländischen Eisschild im Zuge der Erderwärmung passiert, erläutern die Forschenden. Sie verfolgten deshalb in Ergänzung einen Ansatz, bei dem durch Messungen vor Ort und per Satellit die Eismenge bestimmt wird, die durch die Erderwärmung in den vergangenen Jahren instabil geworden ist.
Meeresspiegelanstieg um rund 27 Zentimeter
Konkret bestimmten sie bei allen Gletschern die Schneefallgrenze: Wo Schnee auf dem Eis liegt, der Sonnenlicht gut reflektiert, befindet sich das Eis in einem Gleichgewicht. Wo hingegen das blanke Eis zu sehen ist, das deutlich dunkler wirkt, ist das Abschmelzen im Sommer höher als der Zugewinn durch Schnee im Winter, und das Eis befindet sich im Ungleichgewicht. Dieses Eis wird auch dann abschmelzen, wenn sich die Erde nicht weiter erwärmt. Box und Kollegen bestimmten den Anteil dieses Eises auf 3,3 Prozent der gesamten Eismasse. Das entspricht 110.000 Kubikkilometern Eis und einem globalen Meeresspiegelanstieg um rund 27 Zentimeter.
Um zu den Daten zu gelangen, habe man den Zeitfaktor außen vor lassen müssen, erklärt Box. „Aber unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass der größte Teil des verursachten Meeresspiegelanstiegs in diesem Jahrhundert stattfinden wird.“ Weiterhin zeigen die Messungen, dass die Eisverluste ungleich verteilt sind, dass sie im Süden und im Westen der Insel erheblich größer sind als im Osten und im Norden. Diese Unterschiede würden in Computermodellen nicht gut genug abgebildet, schreiben die Wissenschaftler.
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Wo der Klimawandel eine Chance ist: Grönland zwischen Schmelze und Machtspielen
Auf Grönland schmilzt das Eis schneller denn je – gerade das macht die Insel so begehrt: Donald Trump wollte das riesige Land in der Arktis kaufen, auch die Chinesen mischen im Milliardenpoker um Rohstoffe mit. Zu Besuch an einem der am meisten umworbenen Flecken der Erde.
Zahl wird sich „in diesem Jahrhundert mehr als verdoppeln“
Die 27 Zentimeter sind nur eine Minimalannahme. „Realistisch gesehen wird sich diese Zahl in diesem Jahrhundert mehr als verdoppeln“, so Box. Um eine Ahnung davon zu bekommen, wie die künftige Entwicklung des Eisschildes aussehen könnte, ohne dafür ein Computermodell zu verwenden, machten die Forscher Folgendes: Sie nahmen die Daten des Jahres 2012, die die höchste bisher gemessene Schmelzrate aufwiesen, und nahmen an, dass diese Bedingungen andauern werden. In diesem Fall würde das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes zu einem Meeresspiegelanstieg von mehr als 78 Zentimetern führen.
Als Beispiele für neuere Prozesse, die eine schnelle Reaktion des Eisschildes vorantreiben, nennen die Forscher unter anderem den Verlust schwimmenden Schelfeises, eine Beschleunigung der inneren Eisbewegung durch erhöhte Schmelze und mehr Niederschlag.
Arktis erwärmt sich stärker als jede andere Region der Erde
Der Grönländische Eisschild bedeckt gut vier Fünftel der Gesamtfläche der größten Insel der Erde. Er ist von der Fläche her etwa fünfmal so groß wie Deutschland. Nur der Eisschild der Antarktis ist größer. Die Insel ist besonders stark vom Klimawandel betroffen, da sich die Arktis bereits deutlich stärker erwärmt hat als jede andere Region der Erde.
Der Grönländische Eisschild trägt derzeit hauptsächlich zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Sein Schmelzen hat innerhalb von knapp 20 Jahren bereits rund 1,2 Zentimeter weltweiten Meeresspiegelanstieg verursacht, wie das dänische Polar-Portal im Februar mitteilte. Seit dem Beginn entsprechender Messungen im April 2002 habe die grönländische Eisdecke rund 4700 Gigatonnen verloren – das sei genug, um die gesamten USA einen halben Meter unter Wasser zu setzen. Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen.
RND/dpa