Kann das Great Barrier Reef den Klimawandel noch überleben?
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Ausgebleichtes Korallenriff an den Kepple Islands am Great Barrier Reef.
© Quelle: James Cook University Queensland
Als es sich im März abzeichnete, dass die Korallen am Great Barrier Reef erneut in großem Stil bleichen, war dies vor allem für Umweltschützerinnen und Umweltschützer und Forschende eine ernüchternde Erkenntnis. Die Wissenschaft blickt inzwischen alles andere als optimistisch auf die Zukunft der Riffe. Selbst wenn es der Menschheit gelingt, die Erwärmung in diesem Jahrhundert auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, sagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler voraus, dass bis zu 90 Prozent der tropischen Korallenriffe schweren Schaden nehmen werden.
Trotzdem wollen viele australische Forscherinnen und Forscher den Kampf um das Überleben des Great Barrier Reef nicht aufgeben. Obwohl sich alle einig sind, dass die wichtigste Maßnahme eine Verringerung der globalen Treibhausgase ist, so können wissenschaftliche Interventionen zumindest einen positiven Unterschied am Riff machen. Inzwischen sind diese Projekte auch nicht mehr nur in kleinem Rahmen geplant, sondern sind auf Tausende von Quadratkilometern ausgelegt.
Hitzetolerante Korallen
Zu den vielversprechenden Projekten gehört die Kultivierung von Millionen hitzetoleranter Korallen in Aquakulturen. So arbeitet ein Forschungsteam daran, die natürliche Anpassung mehrerer Korallenarten an wärmere Temperaturen nochmals zu verbessern, sodass sie bis zu vier Wochen zusätzlichen Hitzestress von einem Grad Celsius überstehen können. „Wir glauben, dass insgesamt acht Wochen mit einem Grad Celsius übermäßigem Hitzestress erreicht werden können“, schrieb das Forscherteam des Australian Institute of Marine Science und der University of Melbourne in einem Artikel für das Onlinemagazin „The Conversation“. „Dieses Maß an zusätzlicher Hitzetoleranz kann einen echten Unterschied für das Überleben der Riffe machen.“
Gleichzeitig haben die Forschenden neue Geräte entwickelt, die es möglich machen, die jungen hitzetoleranten Korallen an den Riffen „auszusäen“. Derzeit sind diese Projekte noch auf einige Tausend Korallen pro Jahr beschränkt, doch geplant ist, dies – mithilfe neuer Methoden – auf mehrere Millionen pro Jahr zu steigern. Einen positiven Unterschied machen auch neue Modelle und verbesserte Datensätze. Denn diese machen gezieltere Eingriffe möglich. Das Leben einzelner Riffe kann auf diese Weise um Jahrzehnte verlängert werden.
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Während einer Bleiche wird die Symbiose der Korallen mit einer Algenart, die die Nesseltiere mit Energie versorgt und ihnen die bunten Farben verleiht, unterbrochen Bild: Acropora (artenreichste Gattung der Steinkorallen).
© Quelle: James Cook University Queensland
Sechs Massenbleichen seit 1998
Obwohl diese Projekte zumindest in kleinem Rahmen Hoffnung geben, so ist das Riff insgesamt in keinem guten Zustand. Die Hiobsbotschaft kam jetzt im März: Eine weitere Hitzewelle im Norden von Queensland, dem australischen Bundesstaat, vor dessen Küste sich das Riff über 2300 Kilometer erstreckt, hat erneut eine intensive Korallenbleiche ausgelöst. Die Great Barrier Reef Marine Park Authority bestätigte, dass die Bleiche sowohl im hohen Norden als auch in den zentralen Abschnitten des Riffs zu erkennen ist. In den zentralen Teilen vor Townsville ist sie wohl besonders schwerwiegend. Normalerweise sollten die Korallen in einer La-Niña-Saison, die kühlere Temperaturen sowie Wolken und Regen bringt, nicht bleichen. „2022 ist dank der anthropogenen Erwärmung eine Premiere“, schrieb Terry Hughes von der James Cook University, einer der führenden Korallenforscher Australiens, auf Twitter.
Great Barrier Reef leidet unter Klimawandel
Das Riff, das aus 3000 Einzelriffen besteht und die Heimat von 1500 Fischspezies und 400 Korallenarten bildet, leidet seit Jahren an den Folgen des Klimawandels. Die steigenden Meerestemperaturen, ausgelöst von den vom Menschen verursachten Emissionen, haben in den Jahren 1998, 2002, 2016, 2017 und 2020 bereits zu fünf Massenbleichen am Riff geführt.
Während einer Bleiche wird die Symbiose der Korallen mit einer Algenart, die die Nesseltiere mit Energie versorgt und ihnen die bunten Farben verleiht, unterbrochen. Zwar können sich die Tiere von Bleichen auch wieder erholen, doch wenn diese zu lange andauern oder zu häufig wiederkehren, sterben die Korallen oft ganz ab. Zusätzlich zu den höheren Wassertemperaturen machen den Korallen auch Stürme, Abwässer aus der Landwirtschaft, der Ausbau von Kohlehäfen und die invasive Art des Dornenkronenseesterns zu schaffen. Doch der Erhalt des Riffs ist nicht nur für die Vielfalt von Australiens Ökosystemen von höchster Wichtigkeit, auch der wirtschaftliche Aspekt für die Menschen ist nicht zu unterschätzen: 60.000 Menschen in Australien arbeiten in einem Beruf, der mit dem Great Barrier Reef in Verbindung steht.
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Die Tiere können sich von Bleichen zwar wieder erholen, doch wenn diese zu lange andauern oder zu häufig wiederkehren, sterben die Korallen oft ganz ab. Bild: Stylophora (häufig vorkommende Gattung der Steinkorallen)
© Quelle: James Cook University Queensland
Welterbekomitee zu Besuch am Riff
Erst im November zeigte eine Studie, die im Fachmagazin „Current Biology“ veröffentlicht wurde, dass inzwischen bereits 98 Prozent der Einzelriffe seit 1998 einer Bleiche ausgesetzt waren. Nur eine einzige Gruppe von Riffen im äußersten Süden des Great Barrier Reefs, in einer kleinen Region, die während aller fünf Massenbleichen konstant kühl geblieben ist, ist bisher verschont geblieben. Im Oktober 2020 war eine weitere Studie zudem zu dem Schluss gekommen, dass die Anzahl der kleinen, mittleren und großen Korallen am Great Barrier Reef seit den 1990er-Jahren um mehr als 50 Prozent zurückgegangen ist.
Die Nachricht von der erneuten Bleiche kommt zu einer kritischen Zeit für das Riff. Denn die Delegation der Unesco, die im Juni erneut über eine Aufnahme des Riffs auf die Rote Liste entscheiden soll, ist seit vergangener Woche in Australien, um dem Riff einen Besuch abzustatten. Im vergangenen Jahr war das Riff nach einer groß angelegten Marketingkampagne der australischen Regierung noch knapp einer Aufnahme auf die Rote Liste der Unesco entgangen.
Geld allein kann die Probleme nicht lösen
Sicher um die Gemüter vorab ein wenig zu besänftigen, hatte die australische Regierung bereits im Januar weiteres Geld versprochen. So soll im Falle eines Wahlsieges das derzeitige 2-Milliarden-Dollar-Rettungspaket um eine weitere Milliarde Australische Dollar – umgerechnet rund 678 Millionen Euro – aufgestockt werden. Das Geld soll über die kommenden neun Jahre hinweg in den Erhalt des Welterbes fließen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Umweltschützerinnen und Umweltschützer begrüßten diese Nachricht, doch gleichzeitig sparten sie auch nicht mit Kritik. So kommentierte der Korallenexperte Terry Hughes auf Twitter, dass Australien trotz der Finanzspritze ja nach wie vor täglich Kohle und Gas über das Great Barrier Reef ins Ausland exportiere. Und John Church, ein Klimawissenschaftler der University of New South Wales in Sydney, monierte, dass die Investition im Vergleich zu den ökologischen und wirtschaftlichen Schäden, die die Verbrennung fossiler Brennstoffe und der Klimawandel am Riff anrichten würden, „vernachlässigbar“ sei.
Auch der Riffexperte des WWF, Richard Leck, betonte, dass Bargeld allein die Probleme des Riffs nicht lösen werde. „Wir müssen die Wälder besser schützen und verstärkt an der Wasserqualität arbeiten“, meinte er. Außerdem müsse Australien sich zu einer Klimapolitik bekennen, die mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad vereinbar ist. So habe das Riff laut Leck eine Überlebenschance, wenn Australien bis 2030 zum weltweit führenden Exporteur erneuerbarer Energien werde und gleichzeitig die heimischen und exportierten Emissionen senke.