Raus aus den Schulden: So funktioniert die Privatinsolvenz
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Wenn die Schulden zu groß sind, kann eine Privatinsolvenz eine Chance für den finanziellen Neustart sein.
© Quelle: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa-Ze
Aachen. Mieterhöhung, Heizkosten, steigende Lebensmittelpreise – zunehmende finanziellen Belastungen stellen viele Menschen vor die Frage, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Gerade Menschen mit niedrigeren Einkommen können schon alltägliche Kosten vor große Herausforderungen stellen. Wenn dann noch plötzlich die Waschmaschine den Geist aufgibt oder das Auto schlappmacht, hilft oft nur noch ein Kredit oder der Kauf auf Raten. Wird der Stapel mit den offenen Rechnungen zu hoch und verliert man irgendwann den Überblick, kann das in eine Schuldenspirale führen.
Doch egal, wie ernst die finanzielle Notlage ist – keine Situation ist ausweglos. Denn es gibt auch Wege, die Schulden wieder loszuwerden. Eine Möglichkeit ist das Verbraucherinsolvenzverfahren – umgangssprachlich Privatinsolvenz genannt. Wie sie abläuft, erklärt Roman Schlag, Referent für Schuldnerberatung beim Caritasverband im Bistum Aachen.
Was ist die Privatinsolvenz?
Das Wichtigste zuerst: Wer Geldsorgen hat, sollte sich Hilfe bei einer Schuldnerberatung suchen. Kostenfreie Beratungsangebote gibt es bei den Wohlfahrtsverbänden, der Verbraucherzentrale und bei den Kommunen, betont Schlag. „Das Privatinsolvenzverfahren ist eine Möglichkeit der Entschuldung im Rahmen der Schuldnerberatung“, sagt der Experte. Die Privatinsolvenz ist ein gerichtliches Verfahren zum Abbau von Schulden. Das Verfahren dauert drei Jahre und ermöglicht es verschuldeten Personen, nach dieser Phase wieder schuldenfrei zu werden – auch, wenn sie nicht alle Schulden abbezahlen konnten.
Beantragen können das Verfahren alle Verbraucherinnen und Verbraucher, erklärt Schlag. Für Selbstständige gebe es stattdessen das Regelinsolvenzverfahren, das vom Ablauf her sehr ähnlich sei, so der Schuldnerberater.
Wann ist eine Privatinsolvenz sinnvoll?
Die Entscheidung, ein Verbraucherinsolvenzverfahren zu eröffnen, sollte erst nach eingehender Beratung getroffen werden, betont Schlag. In Erwägung gezogen werden könne es, wenn klar sei, dass der Schuldner oder die Schuldnerin ihre Schulden nicht anderweitig begleichen kann. „Also wenn meine Schulden so hoch sind, dass ich sie nicht in drei Jahren mit meinem Vermögen, mit Einkommen, das ich zur Verfügung habe, begleichen kann, dann ist es zumindest wirtschaftlich eine Erwägung, ein Verbraucherinsolvenzverfahren zu beginnen.“ Nach Ablauf der drei Jahre sei man, abgesehen von wenigen Ausnahmen, von den Restschulden befreit.
Wie läuft die Privatinsolvenz ab?
Bevor das Verfahren eröffnet werden kann, müssen Schuldnerinnen und Schuldner versuchen, sich mit ihren Gläubigern außergerichtlich zu einigen. Dafür muss man diesen ein Angebot machen, wie und in welchem Zeitraum man die Schulden abzahlen könnte. Man könne den Gläubigern aber auch sagen, dass man die Schulden gar nicht abzahlen kann, so Schlag. „Wenn ein Gläubiger sagt, ich bin mit deinem Vorschlag nicht einverstanden, dann gilt der Versuch als gescheitert.“ Eine anerkannte Schuldnerberatungsstelle oder eine Anwaltskanzlei muss dies schriftlich bestätigen.
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© Quelle: dpa
Ist der Versuch gescheitert, sich außergerichtlich zu einigen, kann das gerichtliche Insolvenzverfahren beginnen. Den Antrag für die Privatinsolvenz stellt der Schuldner oder die Schuldnerin selbst bei Gericht. Zeitgleich muss auch ein Antrag auf Restschuldenbefreiung gestellt werden.
Das Gericht prüfe dann, ob noch einmal ein Plan zum Abtragen der Schulden an die Gläubiger verschickt werden muss, oder das gerichtliche Insolvenzverfahren eröffnet wird, erklärt Schlag. Wenn das Verfahren eröffnet wird, beginnt die sogenannte „Wohlverhaltensphase“ der Privatinsolvenz.
Wie viel von meinem Besitz muss ich während der Privatinsolvenz abgeben?
Wenn das Verfahren eröffnet wird, setzt das Gericht einen Insolvenzverwalter oder eine Insolvenzverwalterin ein, erklärt Schlag. Dieser verwalte für drei Jahre das Vermögen und das pfändbare Einkommen. Das bedeutet, dass Wertgegenstände gepfändet werden können, die nicht direkt für die Lebensführung notwendig sind, und der Erlös an die Gläubiger verteilt wird. Zu den pfändbaren Gegenständen zählen etwa Elektrogeräte, Möbel oder Bekleidung.
Für das Einkommen wird eine Pfändungsgrenze bestimmt. Diese liegt bei mindestens 1252,64 Euro im Monat. Das Nettoeinkommen bis zu dieser Grenze darf nicht gepfändet werden, was darüber liegt, geht an den Treuhänder. Auch Erbschaften müssen zur Hälfte abgegeben werden, Lottogewinne sogar ganz.
Was passiert nach der Privatinsolvenz?
Nach drei Jahren wird das Verbraucherinsolvenzverfahren geschlossen. Insolvenzverwalter und Gläubiger müssen dann vor Gericht aussagen. Wenn der Schuldner oder die Schuldnerin alle Pflichten erfüllt hat, wird sie oder er von allen Restschulden befreit.
Bis zu einem völligen wirtschaftlichen Neustart muss man sich aber möglicherweise noch etwas länger gedulden. Denn die Privatinsolvenz bleibt in der Schufa noch für drei weitere Jahre vermerkt, erklärt Schlag.
Für elf Jahre könne man keine erneute Privatinsolvenz anmelden. „Ein erneutes Verfahren würde dann auch länger dauern, nicht mehr nur drei, sondern fünf Jahre“, so der Experte.