Alternativer Baustoff: Holz für die Hütte
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Hoch hinaus: Das HoHo in Wien hat 24 Stockwerke und ist komplett aus Holz gebaut.
© Quelle: by KiTO / Michael Baumgartner
Herr Kaufmann, in den vergangenen 30 Jahren hat sich die Jahresproduktion an Zement auf vier Milliarden Tonnen vervierfacht. Überall schießen Gebäude aus Beton in die Höhe. Ist Holz die Lösung, weniger Zement zu produzieren und zu verbauen?
Holz ist ein Beitrag zur Lösung – dort, wo es sinnvoll anwendbar ist. Mit einem Rohstoff zu bauen ist im Sinne der CO₂-Einsparung sinnvoller als mit einem, der durch fossile Energie hergestellt worden ist. In unseren Gegenden gibt es viel Holz. Da ist es besser, den Baustoff nicht zu verbrennen oder für kurzlebige Produkte einzusetzen. Die CO₂-Einsparung fällt allerdings nur dann ins Gewicht, wenn die Konstruktion eines Hauses aus Holz umgesetzt wird, denn da wird das meiste Material benötigt. Im Gegensatz zu einem Haus, bei dem nur die Fassade aus Holz ist.
Haben wir tatsächlich genug Holz?
In Deutschland wachsen jährlich rund 121 Millionen Festmeter Holz, 76 Millionen werden geerntet. Mit einem Drittel der Erntemenge wäre es möglich, sämtliche Neubauten in Holz zu bauen. Zurzeit wird hauptsächlich Fichte genutzt, weil sie über Jahrhunderte in unseren Wirtschaftswäldern kultiviert worden ist.
Stimmt es, dass wir in Europa heute mehr Wald haben als vor 100 Jahren?
Ja, das weiß man. Der Wald wächst. 50 Prozent des Holzes werden derzeit energetisch verwertet.
Passen Holzhäuser überhaupt noch in die Stadt von heute?
Sie passen auf jeden Fall: In München entsteht gerade ein Stadtteil, der zu einem Drittel aus Holzgebäuden bestehen wird, fast 600 Wohnungen. Holz hat sogar mehr Berechtigung, weil es sehr stört, wenn in der Stadt ein Haus gebaut wird und es deshalb lange eine Baustelle gibt. Holz kann man sehr gut vorfertigen, man kann also schnell bauen – in einem Fünftel der Zeit. Man kann leicht bauen, braucht weniger Transportkapazitäten. Und natürlich spielt auch in der Stadt eine Rolle, wie wir es schaffen können, das Bauwesen klimaneutral zu machen. Das Bauen mit Holz muss in die großen Strukturen rein, in die Stadt.
„Holz ist in seiner Robustheit mit anderen Materialien vergleichbar“
Da gibt es ja durchaus Beispiele …
Es wurden schon Hochhäuser aus Holz gebaut: das HoHo in Wien, ganz neu, mit seinen 24 Stockwerken. Natürlich wird man im städtischen Bereich nicht überall unbehandelte Holzfassaden bauen, das Gebäude soll sich ja ins Umfeld einordnen. Aus meiner Sicht ist das durchaus legitim. Ein Holzbau muss sich nicht zwingend als solcher nach außen zeigen.
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Hoch hinaus: Das HoHo in Wien hat 24 Stockwerke und ist komplett aus Holz gebaut.
© Quelle: KiTO / Michael Baumgartner
Im österreichischen Vorarlberg, wo Sie herkommen, tragen etliche Häuser ein Schuppenkleid. Diese Schindeln aus Holz schützen das Haus vor Wind und Wetter. Wie robust sind denn Holzhäuser?
Schindeln sind um 1900, als man Nägel in Fabriken plötzlich massenhaft herstellen konnte, verstärkt als zusätzliche Haut zum Schutz des Hauses verwendet worden. Schindeln halten mindestens 50 Jahre. Holz ist in seiner Robustheit mit anderen Materialien vergleichbar. Die heutigen Häuser in Holzkonstruktion müssen Wind, Erdbeben und Schnee standhalten können. Das wird alles berechnet. Der größte Feind des Holzes aber ist das Wasser: Feuchtigkeit, die ins Holz eindringt und nicht austrocknen kann, zerstört es. Ich muss also ein Haus so konstruieren, dass keine Feuchteschäden auftreten, die Fassaden müssen dicht sein, es muss so gebaut sein, dass es gut geschützt ist. Holzbau erfordert eine gute handwerkliche Umsetzung.
Holzhäuser gelten als Mittel gegen die grassierende Wohnungsnot …
Ja, es ist relativ einfach, zwei, drei Geschosse – je nach Unterbauten – eines bestehenden Gebäudes aufzustocken. Holz ist leichter als Beton. Mit Beton geht vielleicht nur eines. Wenn man aufstockt, muss man außerdem erst mal das Dach des bestehenden Gebäudes wegnehmen, also den Wetterschutz. Meistens wohnen Leute darin – daher muss die Bauzeit sehr kurz sein, und das ist der große Vorteil eines vorgefertigten Holzbaus.
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Der gebürtige Österreicher Hermann Kaufmann ist Professor für Holzbau und Entwerfen an der Architekturfakultät der Technischen Universität München. Der 65-Jährige hat mit zwei Co-Autoren das Buch „Bauen mit Holz – Wege in die Zukunft“ (Prestel-Verlag) geschrieben und ist Mitherausgeber des Standardwerks „Atlas mehrgeschossiger Holzbau“ (Detail-Verlag). Foto: Martin M. Polt
Viele Menschen haben Angst, dass ein Holzhaus leicht brennen könnte. Wie gefährlich ist es, in solch einem Haus zu wohnen?
Absolut ungefährlich. Es gibt statistische Zahlen, die nachweisen, dass Holzhäuser nicht mehr Brandorte verursachen als konventionell gebaute Gebäude. Es ist außerdem so: Erst mal brennt der Teppich, der Vorhang, das Sofa – und die Holzkonstruktion brennt da noch lange nicht. Und die Gefahr hängt auch vom Verhalten der Bewohner ab: Die meisten Brandtoten gibt es bei allein wohnenden Männern über 60, die rauchen. Ob die in einem Holzbau leben oder in einem konventionellen Haus, spielt keine Rolle. Bei Feuerwehrleuten gilt auch der Spruch: „Holz brennt sicher.“ Heißt: Sie sind eher in der Lage, ein brennendes Holzgebäude zu betreten als ein anderes. Denn sie sehen es der Konstruktion an, wann sie versagen wird. Manchmal werden allerdings auch in Holzgebäuden Fluchtwege in Beton gehalten.
Wo sind die Grenzen von Holz?
Es gibt Gebäude, die aus einem besonders schweren Baustoff gemacht werden müssen, etwa Laborgebäude, die nur wenig Erschütterungen oder Schwingungen tolerieren, oder Konzertsäle, die besonders lärmgeschützt sein müssen. Und es ist zu hoffen, dass es in Zukunft genug Zimmerleute geben wird, um den rasant steigenden Bedarf an Holzbauten stemmen zu können.
Holz ist der Baustoff der Zukunft?
Auf jeden Fall. Wenn wir es sinnvoll verwenden und nicht der Verbrauch so aus dem Ruder schlägt, dass wir unsere Wälder roden wie im Mittelalter. Aber Holz ist auf jeden Fall das Material vor der Haustür und zu schade, um es nur zu verbrennen.
Welche Länder sind Holz-in-der-Stadt-Vorreiter? Mal wieder Asien?
Nein, die haben das Handwerk und die Technologie nicht. Im Alpenbogen, also Österreich, Deutschland, Schweiz, und auch in den nordeuropäischen Ländern befinden sich die Treiber der neuen Entwicklungen.