„Grünes Arabien“: Klima lockte Frühmenschen über Hunderttausende Jahre in heutige Wüste
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In feuchten Klimaphasen verwandelten Niederschläge die Region der heutigen Nefud-Wüste in Saudi-Arabien in eine Graslandschaft mit Seen und Wasserläufen, in der Rinder, Antilopen und sogar Flusspferde lebten.
© Quelle: Photo credit: Palaeodeserts Project (photo by Ceri Shipton).
Riad/Jena. Die Arabische Halbinsel wurde seit mehr als 400.000 Jahren während feuchter Klimaphasen von verschiedenen Frühmenschen genutzt. In jenen Perioden verwandelten Niederschläge die Region der heutigen Nefud-Wüste in eine Graslandschaft mit Seen und Wasserläufen, in der Rinder, Antilopen und sogar Flusspferde lebten. „Es ist bemerkenswert: Immer wenn es feucht war, waren Menschen da“, sagt Michael Petraglia vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena, der mit seinem Team Forschungsresultate in der Fachzeitschrift „Nature“ vorstellt.
In der Nefud-Wüste, die zu Saudi-Arabien gehört, fand das Team auch den bislang ältesten Nachweis von Menschen auf der Arabischen Halbinsel: Die Steinwerkzeuge sind rund 400.000 Jahre alt – und damit etwa 100.000 Jahre älter als der bislang früheste Nachweis des Homo sapiens überhaupt.
Feuchtes Klima sorgte für „grünes Arabien“
Generell war die Arabische Halbinsel während der Kaltzeiten in der Regel trocken, aber in den Warmzeiten wurde das Klima feuchter – die Forscherinnen und Forscher sprechen von einem „grünen Arabien”. In Khall Amayshan im Norden der Halbinsel fanden sie Sedimente von sechs Seen, die sich im Laufe der vergangenen 420.000 Jahre gebildet hatten. Die Gewässer befanden sich immer in derselben Senke, bedeckten aber unterschiedliche Flächen, die sich teilweise überlagerten.
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Eine bis zu 420.000 Jahre alte Handaxt, die im vormals grünen Teil Saudi-Arabiens gefunden wurde.
© Quelle: Palaeodeserts Project (photo by Ian Cartwright)
Steinwerkzeuge bis zu 420.000 Jahre alt
Petraglia und seine Kolleginnen und Kollegen bestimmten das Alter der Sedimente vor allem per Lumineszenzdatierung: Diese ermittelt, wann die Sandschichten zuletzt Sonnenlicht ausgesetzt waren. Für die ältesten Sedimente fanden sie ein Alter von etwa 412.000 Jahren. Weitere Ablagerungen sind rund 300.000, 200.000, 100.000 und 55.000 Jahre alt. In den entsprechenden Schichten fanden die Forschenden Steinwerkzeuge: In der Zeit vor 300.000 bis 420.000 Jahre sind es Handäxte, ab vor etwa 200.000 Jahren wurden Steinwerkzeuge vor allem mit der sogenannten Schildkerntechnik hergestellt.
In veränderter Form ist diese Technik auch noch in den jüngsten, 55.000 Jahre alten Schichten vorhanden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaflter fanden Ähnlichkeiten zu Funden im heutigen Israel, die Neandertalern zugeordnet werden. Dagegen weisen 100.000 Jahre alte Werkzeuge aus Khall Amayshan und 75.000 Jahre alte Werkzeuge aus der 150 Kilometer entfernten Oase Jubbah Merkmale auf, die Funden des modernen Menschen aus dem arabischen Raum ähneln.
Homo sapiens und Neandertaler trafen in Nefud-Wüste aufeinander
Deshalb nehmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, dass Homo sapiens und Neandertaler sich auf der Arabischen Halbinsel – wie auch in anderen Regionen – begegnet sind. „Alle modernen nicht-afrikanischen Individuen haben etwas Neandertalererbgut, und die Arabische Halbinsel könnte ein Gebiet gewesen sein, in dem Kontakt und Kreuzung zwischen frühen Menschen und Neandertalern auftraten“, schreibt auch Robin Dennell von der englischen University of Exeter in einem „Nature“-Kommentar.
Dennell hebt die wissenschaftlichen Fortschritte in jüngster Zeit hervor: „Vor zehn Jahren gab es auf den drei Millionen Quadratkilometern der Arabischen Halbinsel keine datierten archäologischen Stätten, die mehr als 10.000 Jahre alt waren.“ Es sei bekannt, dass der Homo sapiens spätestens vor 50.000 Jahre Australien erreicht habe. Wann und wie er aber Asien erschlossen habe, sei Gegenstand einer intensiven Debatte.
Regenreiche Phasen verbesserten die Umwelt maßgeblich
Das Team um Petraglia betont das Ausmaß der klimatischen Veränderungen in der Region: „Das wiederholte Vorkommen von Flusspferden, bei denen es sich um unbedingte halbaquatische Säugetiere handelt, die ständige Gewässer von mehreren Metern Tiefe benötigen, liefert starke Belege für das Ausmaß der Umweltverbesserung während wiederholter regenreicher Phasen des ‚grünen Arabiens‘.“
RND/dpa/Stefan Parsch