Neue Namen, neue Inhalte: vom Wandel traditionsreicher Berufe
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/M5M2GBGBNVHI5CM4OPIHNH4X3I.jpeg)
Isolierhandschuhe, die vor dem Arbeiten an einem Elektrofahrzeug anzulegen sind, in einer Werkstatt in Frankfurt/Main. Auch die Autobranche hat sich stark verändert – und mit ihr deren Berufsbilder.
© Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele Berufe stark verändert. Das zeige sich oft auch im Namen, sagt Katharina Dengler vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). So wurde aus dem Wagner der Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker. Traditionelle Handwerksberufe wie den Kürschner gibt es zwar noch, aber sie sind kaum bekannt. Der Drahtzieher ist hingegen als Redewendung im Sprachgebrauch präsent, die eigentliche Tätigkeit wird heute jedoch von Fachkräften für Metalltechnik ausgeübt.
Oft gingen die starken Veränderungen in den Berufen mit technologischem Fortschritt einher, erklärt Alexandra Fedorets vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Nachdem die Gaslaternen durch elektrisches Licht ersetzt wurden, brauchte man keine Laternenanzünder mehr.“ Auch aktuell sind einige Berufe davon bedroht, von der Bildfläche zu verschwinden. Allerdings geschehe das in der Regel nicht in kurzer Zeit, erklärt Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB): „Da muss man eher in Jahrzehnten denken.“
Schornsteinfeger kontrollieren heute technische Anlagen
Berufe unterliegen seit jeher einem Anpassungsdruck. Ein Schornsteinfeger etwa müsse zwar noch Kamine kehren, vor allem kontrolliere er heute jedoch technische Anlagen, sagt Esser. „Das kommt aber in der Berufsbezeichnung überhaupt nicht zum Tragen.“ Er plädiert deshalb dafür, dass einige Jobs neue Namen erhalten sollten. In manchen Berufszweigen sei das bereits geschehen – vor allem dann, wenn Anforderungen miteinander verschmolzen wurden, erläutert Dengler. So ist Mechatronik heute ein etablierter Ausbildungsberuf. Darin verbinden sich Aufgaben, die früher von Mechanikern erledigt wurden, mit Tätigkeiten, die Elektrikern vorbehalten waren.
Der Umbau der Arbeitswelt betrifft viele und ganz unterschiedliche Branchen – von Banken bis zum Bergbau. Autonome Fahrzeuge können eines Tages Triebwagenführer oder Lkw-Fahrer überflüssig machen. Weil Reisen inzwischen vornehmlich online gebucht werden, wurden viele Reisebüros geschlossen. Zwar wächst der Onlinehandel und werden Verteil- und Logistikzentren immer wichtiger. Dennoch ist davon auszugehen, dass künftig weniger Lagerarbeiter benötigt werden, weil ihre Tätigkeit durch Roboter ersetzt wird.
Die Entwicklungen haben auch Auswirkungen auf Ausbildungen. Beispielsweise verändern sich die Anforderungen und Tätigkeiten von Kauffrauen und Kaufmännern im Einzelhandel und im Büromanagement. Denn der Handel verlagert sich zunehmend ins Internet und Bürotätigkeiten werden immer stärker von künstlicher Intelligenz übernommen. „Das kann auch erhebliche Chancen bieten, da man sich in diesen Berufen zum Teil gut weiterentwickeln kann“, sagt Dengler. Esser hält es für geboten, Ausbildungsordnungen anzupassen. Sie sollten möglichst offen formuliert sein und Flexibilität ermöglichen. Statt beispielsweise die Tätigkeit „schweißen“ festzuschreiben, sollte das „Verbinden von Werkstoffen“ als Inhalt genannt werden.
Orientierungsbegriff Standardberufsbildpositionen
Wichtig sei außerdem die Vermittlung von soliden Grundkenntnissen, eine Spezialisierung könne später erfolgen, führt Esser weiter aus. Im Bereich der dualen Ausbildung gebe es die Standardberufsbildpositionen, erläutert Lydia Malin, Referentin im Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW): „Die Modernisierung dieser für alle Beruf einheitlichen und verbindlichen Mindestanforderungen gibt dabei auch Aufschluss über allgemeine Veränderungen der Berufswelt.“ Vermittelt werden etwa Kenntnisse in den Bereichen Betriebswirtschaft, Arbeitssicherheit, Digitalisierung und Umweltschutz.
Seit 2019 gilt das Qualifizierungschancengesetz, das Angestellte und Arbeitnehmerinnen dabei unterstützen soll, mit veränderten Anforderungen Schritt zu halten. Bildung sei oft der Schlüssel zum beruflichen Erfolg und verhelfe zu einem sicheren Arbeitsplatz, ist Dengler überzeugt: „Je höher das Anforderungsprofil, desto schlechter sind Jobs durch Computer und Roboter zu ersetzen.“ Laut Malin gibt es zwar auch für niedrig Qualifizierte gute Berufsmöglichkeiten. Da aber unter anderem im Handwerk die Nachfrage nach Fachkräften hoch ist und weiter steigen wird, plädiert sie dafür, den anhaltenden Akademisierungstrend zu bremsen und stärker für Ausbildungsberufe zu werben. „Wir müssen an deren Image arbeiten“, betont sie. Dabei handele es sich um anspruchsvolle Tätigkeiten, außerdem eröffneten sie gute Verdienstmöglichkeiten. Viele handwerkliche Jobs seien darüber hinaus sinnstiftend und nachhaltig.
Für immer verschwunden
Es waren meist keine attraktiven Berufe, die irgendwann verschwanden: Köhler zum Beispiel stellten aus Holz Kohle her. Eine schweißtreibende und schmutzige Arbeit. Lumpensammler sammelten Stoffreste und alte Kleidung. Sie infizierten sich wegen der schlechten hygienischen Verhältnisse oft mit Krankheiten. Gerber verarbeiteten Tierhäute und Felle zu Leder. Der dafür verwendete Gerbstoff stank fürchterlich. Eher langweilig war der Job des Türmers, der die Stadt vor Angriffen und Bränden warnen sollte.
Angesehene Handwerksberufe waren etwa Fassbinder, auch Böttger genannt, die Fässer, Bottiche und Kübel anfertigten, und Posamentierer, die unter anderem Borten, Quasten, Schnüre und Troddeln herstellten. In der Landwirtschaft arbeiteten noch Ende des 19. Jahrhunderts Schnitter, die Getreide mit Sense und Sichel ernteten. Manche Berufe gab es nur für eine vergleichsweise kurze Zeit, zum Beispiel die Lochkartenlocherin, die bei der elektronischen Datenverarbeitung zum Einsatz kam.