Origami im All: Wie das James-Webb-Teleskop die Weltraumforschung revolutionieren soll
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Das James-Webb-Teleskop ist das größte und leistungsfähigste Weltraumteleskop aller Zeiten.
© Quelle: Chris Gunn/NASA via AP/dpa
Das James-Webb-Weltraumteleskop repräsentiert den Beginn einer neuen Ära der Astronomie. Acht Meter hoch und rund sechseinhalb Tonnen schwer ist es. Thomas Zurbuchen, Wissenschaftsdirektor der US-Weltraumbehörde Nasa, spricht von „Kunst“. Und das ist es tatsächlich: Ingenieurskunst. Es ist das größte und leistungsfähigste Weltraumteleskop aller Zeiten, gebaut von Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Nasa, der Europäischen Weltraumorganisation Esa und der kanadischen Raumfahrtbehörde CSA. „Es ist ein unglaubliches Teleskop“, schwärmt Zurbuchen, „und ein Traum von vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Dekaden.“
2007 sollte das Weltraumteleskop, benannt nach dem ehemaligen Nasa-Chef James Edwin Webb, eigentlich schon ins All geflogen werden, doch es kam zu Verzögerungen, zuletzt auch wegen der Corona-Pandemie, sodass der Start immer wieder verschoben werden musste. Am 25. Dezember um 13.20 Uhr deutscher Zeit war es dann soweit: Eine Ariane-5-Rakete hat das Teleskop vom europäischen Raumflughafen in Französisch-Guayana endlich ins All gebracht.
Teleskop lässt sich für den Flug zusammenfalten
„Das wird der Start der Dekade“, sagt Daniel Neuenschwander, Esa-Direktor für Raumfahrzeugträger. Die 780 Tonnen schwere Ariane-5-Rakete, die schon zahlreiche Wissenschaftsmissionen in den Weltraum hinaufbefördert hat, darunter die Sonde Rosetta, sei das ideale Transportmittel für das 10 Milliarden teure James-Webb-Weltraumteleskop. „Ariane 5 ist wirklich das Leistungspferd des europäischen Zugangs zum All“, lobt Neuenschwander. „Wir sind sehr stolz über die Genauigkeit und Zuverlässigkeit dieses Trägers. Genau diese Fähigkeiten werden gebraucht bei dem kommenden Launch des Webb-Teleskops.“
Das Weltraumteleskop hatte sich beim Start zusammengefaltet im Inneren der Trägerrakete befunden. Mit seinem fünflagigen Sonnenschild, der in etwa so groß ist wie ein Tennisplatz, und seinem 6,5 Meter großen Primärspiegel, der einer überdimensionalen Bienenwabe ähnelt und aus 18 Spiegelelementen besteht, wäre das Teleskop als Ganzes für den Transport zu groß gewesen. Im All soll es sich schließlich schrittweise entfalten.
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Teleskop wird sich 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernen
Etwa einen Monat dauert es, bis das James-Webb-Weltraumteleskop sein Ziel erreicht: den zweiten Lagrange-Punkt. Dieser ist circa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Zum Vergleich: Das Weltraumteleskop Hubble, das seit 1990 faszinierende Aufnahmen aus den Tiefen des Alls zur Erde übermittelt, schwebt in 570 Kilometern Entfernung.
Der zweite Lagrange-Punkt, den das James-Webb-Teleskop umkreist, hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil dieses Standortes ist, dass das Teleskop an diesem Punkt seine kalte Betriebstemperatur aufrechterhalten kann. Dort kann es das Licht und die Hitze von Sonne, Erde und Mond gleichzeitig mit seinem Sonnenschild abschirmen. Würden das Teleskop und die wissenschaftlichen Instrumente an Bord zu warm werden, könnte diese Wärmestrahlung die Beobachtungen verfälschen.
Außerdem handelt es sich beim zweiten Lagrange-Punkt – anders als der Name vermuten lässt – um keinen feststehenden Punkt, sondern er folgt der Erde um die Sonne. Das Teleskop befindet sich also in einer stabilen Umlaufbahn. Der Nachteil ist wiederum, dass der Punkt 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist. Das bedeutet: Sollten technische Schwierigkeiten auftreten, gibt es keine Möglichkeiten, das Teleskop zu warten – anders als beim Hubble-Teleskop.
Vier wissenschaftliche Instrumente sind an Bord des Teleskops
In den ersten sechs Monaten der Mission werde die Inbetriebnahme des Weltraumteleskops stattfinden, erklärt Astrophysikerin Nora Lützgendorf, die an der Installation des Nahinfrarotspektrografen beteiligt gewesen ist. Es ist eines der vier wissenschaftlichen Instrumente des James-Webb-Teleskops. Der Nahinfrarotspektrograf ermöglicht es, die Temperatur, Masse und chemische Zusammensetzung von Planeten oder Sternen zu bestimmen – und kann Lichtspektren von 200 Objekten gleichzeitig aufnehmen. Es sei das erste Mal, dass diese sogenannte Multi-Objekt-Spektroskopie im Weltall durchgeführt werde, so Lützgendorf.
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Weitere Instrumente an Bord des Weltraumteleskops sind: ein Mittelinfrarotinstrument, mit dem die Forscherinnen und Forscher kalte und weit entfernte Objekte beobachten können; eine Nahinfrarotkamera, die das Licht von Sternenpopulationen in nahen Galaxien einfangen kann; und eine Nahinfrarotkamera, kombiniert mit einem spaltlosen Spektrografen, mit denen die Atmosphäre eines Exoplaneten, also eines Planeten, der um einen fremden Stern kreist, genau untersucht werden kann.
Astronomen wollen Geschichte des Universums erforschen
„Die Instrumente haben alle ihre speziellen Aufgaben“, fasst Lützgendorf zusammen. Eine Funktion haben sie aber gemein: Sie sollen Antworten liefern – und zwar zu zentralen Fragen der Weltraumforschung. Ist die Erde einzigartig? Sind wir allein im Universum? Wie sah das frühere Universum aus? Wann sind die ersten Sterne und Galaxien entstanden? Wie entstehen Planetensysteme? Und gibt es eines, das unserem ähnelt?
„Wir wollen über die Geschichte des Universums lernen“, sagt Nasa-Wissenschaftsdirektor Zurbuchen, „auch über die Geschichte von uns Menschen und die Geschichte des Lebens.“ Die Forscherinnen und Forscher wollen mithilfe des James-Webb-Weltraumteleskops zurück in die Vergangenheit blicken, zurück zu den ersten Galaxien nach dem Urknall. Möglich macht dies das Infrarotlicht, das von Milliarden von Lichtjahren entfernten Galaxien ausgestrahlt und von den Instrumenten des Teleskops eingefangen wird. Auch können mithilfe von Infrarotlicht Sterne, die in Staubwolken verborgen sind, und Moleküle in der Atmosphäre von Exoplaneten sichtbar gemacht werden.
„Es ist ein Teleskop für die ganze Welt“, erklärt Zurbuchen. Er ist besonders gespannt auf die Beobachtungen und Erkenntnisse, die das James-Webb-Teleskop zum Mars sammeln wird. Auch diesen Planeten werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genau untersuchen. „Ich freue mich, dem Teleskop auf Wiedersehen zu sagen“, so der Nasa-Wissenschaftsdirektor, „und dass wir es endlich bald dort haben, wo es hingehört, nämlich im Weltraum.“