Tiere erschließen neue Brutreviere

Klimawandel: Arktische Gänse ändern ihre Zugroute

Zwei Wildgänse fliegen im Naturschutzgebiet Ilkerbruch.

Wildgänse können voneinander lernen und sich an Klimaveränderungen anpassen, haben Forschende herausgefunden.

Aarhus. Die Erderwärmung ist für viele wandernde Arten, die in der Arktis leben, eine Herausforderung – auch für Zugvögel. Weil sich die jahreszeitliche Entwicklung der Pflanzen verändert, ändert sich auch das Futterangebot. „Solche Arten können nur überleben, wenn sie ihre Migration, den Brutzeitpunkt und ihr Verbreitungsgebiet anpassen“, schreibt ein internationales Forschungsteam um Jesper Madsen von der dänischen Universität Aarhus in der Zeitschrift „Current Biology“. Eine solche Anpassung beschreiben die Forscher nun für die in Nordeuropa beheimatete Kurzschnabelgans (Anser brachyrhynchus).

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Seit mehr als 35 Jahren beobachtet die Gruppe eine Population von rund 80.000 Kurzschnabelgänsen in ihrem Brutgebiet auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen. Die traditionelle Zugroute dieser Vögel führt über einen schmalen Korridor von Spitzbergen zu ihren Sammelplätzen in Norwegen und dann zum Überwintern in ein Areal, das vom westlichen Dänemark entlang der Nordseeküste bis in die Niederlande und nach Belgien reicht.

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Allerdings wurden in den vergangenen 20 Jahren wiederholt Tiere dieser Population in Schweden und Finnland gesichtet – also jenseits ihrer eigentlichen Route. Um deren Zugstrecken zu ermitteln, statteten die Forscher in Finnland 21 Kurzschnabelgänse mit GPS-Sendern aus. Das Ergebnis: Die Hälfte der Vögel flog von ihren Winterquartieren aus nicht wie üblich über Norwegen zum Brüten nach Spitzbergen.

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Neue Population in Russland entstanden

Stattdessen zogen diese Gänse über Schweden und Finnland zur fast 1000 Kilometer östlich von Spitzbergen gelegenen Inselgruppe Nowaja Semlja im Norden Russlands. Dort bauten sie ihre Nester auf der Insel Sewerny. Diese Route führt über die Lübecker Bucht an der deutschen Ostseeküste.

Für die Forschenden sei dies eine „echte Überraschung“ gewesen, wird Madsen in einer Mitteilung der Zeitschrift zitiert, zumal die Strecke nach Nowaja Semlja rund ein Viertel länger ist als die nach Spitzbergen. Das Team beobachtete zudem, dass einige Gänse von ihrer ursprünglichen Flugstrecke gezielt auf die neue Route wechselten. Dies deute darauf hin, dass die Tiere sozial voneinander lernen.

Tiere lernen voneinander

„Es ist äußerst faszinierend, eine so schnelle Entwicklung neuer Brutgebiete und Zugrouten einer Vogelart zu beobachten, die in ihrem Verhalten und ihrer Standortnutzung als sehr traditionell gilt“, sagt Erstautor Madsen. Binnen zehn bis 15 Jahren habe sich die neue Strecke etabliert, und damit habe sich in Nowaja Semlja eine neue Population der Gänse entwickelt. Zwischen 2000 und 2020 sei die Anzahl der Tiere dort um jährlich 24 Prozent gewachsen. Das Forscherteam schätzt, dass die Population inzwischen bis zu 4000 Tiere umfasst.

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Insgesamt scheint die Brut in Nordrussland zudem erfolgreicher zu sein. Dass die Vögel in Nowaja Semlja gut leben können, hat den Forschern zufolge mit dem Klimawandel zu tun. Ursprünglich sei es den Gänsen dort nämlich zu kalt gewesen, schreibt das Team. Mittlerweile herrschen in der Region ähnliche Frühlingstemperaturen wie um die Jahrtausendwende auf Spitzbergen.

Hoffnung auf „ökologische Rettung“

Wie die Kurzschnabelgänse auf ihr neues Brutgebiet in Nordrussland gekommen sind, ist unklar. Die Forscher vermuten, dass die Vögel Taigasaatgänsen (Anser fabalis fabalis) gefolgt sein könnten, die ebenfalls in Dänemark überwintern und zum Brüten auf die Insel Sewerny ziehen. Möglich sei auch, dass einige Kurzschnabelgänse während ihres Fluges über die Barentssee wegen starker Westwinde abgedriftet und zufällig in Nowaja Semlja gelandet seien.

Die Forschenden wollen die Gänse in ihrem neuen Brutgebiet künftig genauer beobachten. Ihre Studie zeigt jedoch bereits, dass soziale Herden- oder Schwarmtiere wie Zugvögel aktiv voneinander lernen und sich so schnell an klimatische Änderungen anpassen können. Und das, so Erstautor Madsen, gebe Hoffnung auf eine „ökologische Rettung in Zeiten sehr radikaler Umweltveränderungen“.

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RND/dpa

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