Trans Frauen im Sport – unfairer Vorteil?
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Die trans Sportlerin Lia Thomas (ganz rechts).
© Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PR
Die US-amerikanische Schwimmerin Lia Thomas wurde mit einem männlichen Körper geboren und trat bei sportlichen Wettbewerben ursprünglich gegen Männer an. Doch Thomas ist transgender und identifiziert sich als Frau. 2019 begann sie daher eine Hormontherapie, die ihren Körper dem weiblichen Geschlecht angleichen soll. Thomas unterzog sich einer Behandlung mit dem weiblichen Sexualhormon Östrogen und Präparaten, die zusätzlich das männliche Sexualhormon Testosteron unterdrücken. Inzwischen nimmt sie an den Wettkämpfen für Athletinnen teil. In der Sportwelt sorgt das für Diskussionen. Denn Thomas’ Erfolge lassen vermuten, dass ihr biologisch ursprünglich männlicher Körper ihr weiterhin Vorteile gegenüber den anderen Sportlerinnen verschafft. Aber ist das wirklich so?
Männer haben es in Sportarten, bei denen es auf Kraft und Ausdauer ankommt, deutlich leichter als Frauen. Das liegt an den körperlichen Unterschieden: Sie sind unter anderem größer, haben ein größeres Herz- und Lungenvolumen, mehr Muskelmasse und einen geringeren Körperfettanteil. Ihr Blut enthält zudem mehr von dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin und kann dadurch mehr Sauerstoff transportieren. Höhere Hämoglobinwerte wirken sich unmittelbar auf die körperliche Leistungsfähigkeit aus, weshalb Substanzen, die den Hämoglobingehalt im Blut erhöhen, auch zum illegalen Doping eingesetzt werden. Auch Substanzen, die die Wirkung des männlichen Sexualhormons Testosteron nachahmen, werden zum Doping genutzt, da sie den Muskelaufbau fördern.
Trans Frauen, die mit einem biologisch männlichen Körper geboren werden, unterziehen sich wie Lia Thomas teilweise einer Hormontherapie, um ihren Körper der weiblichen Identität anzugleichen. Sie dürfen in sportlichen Wettkämpfen dann gegen biologische Frauen antreten. Der für Thomas zuständige Sportverband in den USA ließ trans Frauen bisher zu Frauenwettkämpfen zu, wenn diese sich mindestens ein Jahr lang einer Hormontherapie unterzogen hatten.
Hormonbehandlung hebt körperlichen Vorteil nicht auf
Durch die Performance von Lia Thomas in der Frauenliga geriet diese Regelung in die Kritik. Denn bei Wettkämpfen bricht Thomas bisher von Frauen aufgestellte Rekorde und lässt die anderen Sportlerinnen im Becken weit hinter sich. Im Rennen über 1500 Meter Kraulen war sie im vergangenen Dezember fast 40 Sekunden schneller als die zweitplatzierte Frau. Und am vergangenen Wochenende räumte Thomas bei den Ivy League Schwimmwettbewerben in den USA gleich drei Preise ab. In der Männerkategorie der Hochschulliga Ivy League hatte Thomas Platz 462 der besten Schwimmer belegt, bei den Frauen belegte sie schnell Rang eins. Eine Gruppe anderer Schwimmerinnen hatte Thomas’ Antritt bei den Frauenwettbewerben deshalb in einem anonymen Brief als unfair kritisiert.
Haben trans Frauen, die sich einer Hormontherapie unterziehen, weiterhin einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Frauen? Tatsächlich legen Studien nahe: Die körperliche Überlegenheit, die ein biologisch männlicher Körper bei Kraft und Ausdauer mit sich bringt, wird durch eine Hormonbehandlung nur teilweise, aber nicht vollständig ausgeglichen. Eine Untersuchung dazu wurde 2020 im British Journal of Sports Medicine veröffentlicht. So hatte ein Team um den Professor Timothy A. Roberts an der Universität von Missouri-Kansas City die sportliche Leistungsfähigkeit von 29 trans Männer und 46 trans Frauen in der US-Luftwaffe untersucht. Die Forschenden hatten verglichen, wie sich deren Fitness vor und nach dem Beginn einer Hormonbehandlung unterschied. Die trans Frauen hatten für eine geschlechtsangleichende Behandlung Östrogene eingenommen, die trans Männer Testosteron.
Die trans Männer waren anderen Männern vor der Hormonbehandlung bei Liegestützen, Sit-ups und beim Laufen unterlegen. Nach einer Hormonbehandlung mit männlichen Geschlechtshormonen zogen sie bei den Liegestützen und der Laufgeschwindigkeit gleich. Bei den Sit-ups waren sie nun sogar überlegen: Sie absolvierten innerhalb einer Minute mehr davon als die anderen Männer. Die trans Frauen waren anderen Frauen in mehreren Kategorien deutlich überlegen, bevor sie mit der Hormontherapie begannen. Sie konnten innerhalb einer Minute 31 Prozent mehr Liegestützen und 15 Prozent mehr Sit-ups machen als andere Frauen. Außerdem waren sie beim Anderthalb-Meilen-Lauf (2,4 Kilometer) um 21 Prozent schneller.
Trans Frauen sind weiterhin stärker als andere Frauen
Nach zwei Jahren feminisierender Hormontherapie glichen sich die Leistungen bei den Liegestützen und den Sit-ups an, ein Unterschied zwischen trans Frauen und den anderen Frauen war nicht mehr zu erkennen. Allerdings rannten die trans Frauen immer noch um 12 Prozent schneller. Das Fazit der Studie: trans Frauen haben auch ein Jahr nach Beginn einer Hormonbehandlung, die das Testosteron unterdrückt, noch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Frauen. Das lege nahe, trans Frauen zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu Frauenwettkämpfen im Hochleistungssport zulassen, so die Autoren und Autorinnen. Auch Forschende um Tommy Lundberg von der Karolinska University in Stockholm hatten 2020 in einer Studie festgestellt, dass trans Frauen unter einer feminisierenden Hormonbehandlung nur leicht an Muskelmasse verloren und auch ein Jahr nach Beginn der Therapie ihre Kraft weitgehend beibehielten, also gegenüber biologischen Frauen im Vorteil waren.
Eine weitere Untersuchung stammt von einem Team um Joanna Harper von der Loughborough University, die selbst trans Frau und Läuferin ist und sich auf die wissenschaftliche Erforschung der Integration von Transgendern im Sport spezialisiert hat. Harpers Team hatte 24 Studien ausgewertet, in denen körperliche Merkmale von trans Frauen vor und nach Beginn einer Hormonbehandlung untersucht wurden. Vor Beginn der Behandlung hatten die trans Frauen im Durchschnitt mehr Muskelmasse und mehr Kraft als andere Frauen. Außerdem hatte ihr Blut höhere Hämoglobinwerte, also eine höhere Fähigkeit, Sauerstoff zu transportieren. Diese Blutwerte glichen sich nach vier Monate Hormonbehandlung denen der anderen Frauen an. Ein Jahr nach Beginn der Hormonbehandlung hatten auch Muskelmasse und Kraft abgenommen. Selbst drei Jahre nach Beginn der Therapie waren die trans Frauen anderen Frauen aber bei Kraft und Muskelmasse immer noch überlegen. In allen drei Studien hat sich also gezeigt, dass eine Hormonbehandlung, die das männliche Sexualhormon Testosteron unterdrückt, die körperliche Leistungsfähigkeit von trans Frauen verringert. Sie kann aber nicht alle körperlichen Vorteile beim Sport ausgleichen. Zumindest dann nicht, wenn eine trans Frau bereits die Pubertät durchlaufen hat.
Noch ist unklar, wie die Regelungen für trans Frauen im Sport künftig aussehen werden. Der für Lia Thomas zuständige US-amerikanische Verband NCAA hatte zuletzt angekündigt, trans Frauen künftig erst nach drei Jahren Hormontherapie zu Wettkämpfen von Athletinnen zuzulassen. Andererseits hatte das Internationale Olympische Komitee IOC im vergangenen Jahr beschlossen, dass es bald keine allgemein gültigen Vorgaben mehr für Transgendersportler und ‑sportlerinnen geben soll, was eher für einen leichteren Wechsel zwischen den Männer- und Frauenkategorien sprechen würde. Bisher hatte das IOC die Teilnahme von trans Frauen in der Frauenkategorie an eine Senkung der Testosteronwerte geknüpft. Jeder Weltverband soll demnach künftig selbst über die Teilnahme von Transgenderathletinnen und ‑athleten in der Männer- oder Frauenkategorie beim Sport entscheiden.