Massensterben unter Wildvögeln

Schwere Vogelgrippe-Welle: Experten warnen vor potentieller Gefahr für den Menschen

Im Kreis Nordfriesland sind unzählige Nonnengänse an der Vogelgrippe verendet.

Im Kreis Nordfriesland sind unzählige Nonnengänse an der Vogelgrippe verendet.

Eine besonders krankmachende Variante der Vogelgrippe sorgt seit Monaten für ein Massensterben unter Wildvögeln: Ente, Gänse, aber auch Pelikane, Rotkehlchen und Kraniche sind betroffen. Die aktuelle Infektionswelle sei mit ihrer raschen Ausbreitung und der extrem hohen Häufigkeit von Ausbrüchen bei Geflügel und Wildvögeln beispiellos und stelle außerdem eine „potenzielle Bedrohung“ für den Menschen dar, schreiben Michelle Wille und Ian Barr von der University of Melbourne im Fachmagazin „Science“.

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Bislang nur sehr geringe Gefahr für Menschen

Bisher geht von der Vogelgrippe zwar nur eine äußerst geringe Gefahr für den Menschen aus. Übertragungen des Vogelgrippevirus von Vögeln auf Menschen waren in den letzten zwei Jahrzehnten selten und kommen nur beim sehr intensiven Kontakt mit infizierten Tieren zustande. Was den aktuell zirkulierenden Erreger betrifft, war zunächst weltweit nur der Fall eines 79-jährigen Mannes aus Südwestengland bekannt, der sich nach direktem und anhaltendem Kontakt mit erkranktem Geflügel angesteckt hatte. Die britische Gesundheitsbehörde UKHSA warnte deshalb Anfang des Jahres davor, kranke oder tote Vögel zu berühren.

Ende April meldete die US-Gesundheitsbehörde CDC dann einen weiteren Nachweis bei einem Menschen, der sich bei der Tötung infizierten Geflügels in Colorado angesteckt habe. Der Patient habe Erschöpfung als einziges Symptom genannt und sich inzwischen wieder erholt. Es sind auch bisher keine Fälle bestätigt, in denen das Virus von Mensch zu Mensch übertragen wurde. Hochpathogene Vogelgrippeviren stellten aber dennoch stets ein potenzielles Pandemierisiko dar, warnen Wille und Barr in ihrem „Science“-Artikel. Denn es sei theoretisch möglich, dass diese eines Tages so mutieren, dass sie auch von Mensch zu Mensch übertragen werden können.

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Die Vogelgrippe, in der Fachsprache aviäre Influenza genannt, kommt natürlicherweise vor allem in wildlebenden Wasservögeln vor. Die Viren tragen auf ihrer Oberfläche bestimmte Eiweiße, die mit der Abkürzung H (für Hämagglutinin) und N (für Neuraminidase) bezeichnet werden und die jeweils in verschiedenen Subtypen vorkommen (H1 bis H16 und N1 bis N9). Aktuell kursiert eine Variante mit der Bezeichnung H5N1, das bedeutet, der Erreger trägt eine Kombination der Eiweiße H5 und N1 auf seiner Oberfläche.

Vogelgrippe-Varianten lösen bei Menschen nur selten tödlich verlaufende Erkrankungen aus

Unterschieden werden bei der Vogelgrippe zudem geringpathogene und hochpathogene Varianten. Geringpathogene Formen etwa der Subtypen H5 und H7, die kaum oder nur milde Krankheitssymptome verursachen, können sich über Erbgutveränderungen zu hochpathogenen Varianten entwickeln. Für solche oft ganze Geflügelbestände vernichtenden Formen wird der Begriff Geflügelpest verwendet.

Einige Vogelgrippe-Varianten können auf den Menschen übertragen werden und – in bisher aber nur seltenen Fällen – tödlich verlaufende Erkrankungen auslösen. Nur zwei H-Subtypen, nämlich H5 und H7, seien bisher wiederholt als hochpathogene aviäre Influenza (HPAI) aufgetaucht, erläutern Wille und Barr in ihrem Beitrag. Dies passiere in der Regel dann, wenn niedrigpathogene H5- oder H7-Viren von Wildvögeln auf Geflügel übertragen werden, wo sich das H-Protein verändert.

Unterwasserarchäologe Florian Huber war gerade in Polynesien und hat mit seinem Submaris-Team nach dem Wrack der „SMS Seeadler“ getaucht. Einem Schiff, das unter dem Kommando von Felix Graf von Luckner im Südpazifik im Kriegseinsatz war und 1917 vor der Insel Mopelia auf ein Riff aufgelaufen und gesunken ist. Auf dem Foto ist das große Schwungrad zu sehen, das Teil eines geheimen Dieselmotors war.

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Etwa drei Millionen Schiffswracks liegen auf dem Grund der Weltmeere. Sie sind wertvolle Zeitkapseln, die einen einmaligen Blick in die Vergangenheit erlauben. Doch um die Geheimnisse der Wracks zu bergen, muss man dem Klimawandel zuvorkommen – und Schatzsuchern.

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Mehr Infektionen bei Säugetieren als üblich

Vielfach nachgewiesen sind in der aktuellen H5N1-Welle bereits Übertragungen auf Fleisch und Aas fressende Säugetiere wie Füchse und Fischotter. Die Zahl liege höher als bei vorherigen Infektionswellen, heißt es vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems auf Anfrage der dpa. Unklar bleibe, ob dies auf eine erhöhte Empfänglichkeit von Säugetieren für das zirkulierende Virus zurückzuführen sei oder auf ein erhöhtes „Angebot“ virusinfizierter Vogelkadaver. Mutationen, die eine erhöhte Anpassung an Säugetiere beziehungsweise den Menschen belegen, seien bislang nicht gefunden worden.

Das FLI, das für Tiergesundheit zuständige Bundesforschungsinstitut, hatte schon Ende vergangenen Jahres von der „stärksten Geflügelpestepidemie überhaupt“ in Deutschland und Europa gesprochen. Im „Radar Bulletin“ vom März hieß es, es würden weiterhin fast täglich Ausbrüche und einzelne Fälle bei Hausgeflügel und Wildvögeln in Europa gemeldet. Schon von Herbst 2020 bis April 2021 hatte Europa nach FLI-Angaben die bis dahin schwerste Geflügelpestwelle erlebt.

Israel: Berichte über rund 10.000 tote und sterbende Kraniche

Seit Ende 2021 wurden an den Küsten Nordeuropas erneut Zigtausende tote Vögel gefunden, wie das FLI berichtete, zuvor war das Virus bereits in den USA aufgetreten. In Frankreich gab es seither Meldungen zu Hunderten toten Gänsen und Schwänen, in den Niederlanden wurden mehrere Tausend Knutts (Strandläufer) tot gefunden. An der Westküste Englands starben geschätzt 10 Prozent der dort rastenden Nonnengans-Population, in Griechenland in diesem Jahr bereits Hunderte Krauskopfpelikane.

Aus Israel kamen Berichte über rund 10.000 tote und sterbende Kraniche in einem Nationalpark im Hula-Tal. Sie kommen als Zugvögel aus Südeuropa nach Israel, um dort auf dem Weg nach Afrika Station zu machen. In Deutschland gebe es weiterhin in erheblichem Maße Infektionen bei Wildvögeln, aber vergleichsweise wenige Ausbrüche bei gehaltenen Vögeln, insbesondere in kommerziellen Geflügelhaltungen, so das FLI. Die genaue Ursache sei unklar, Anteil hätten womöglich die besseren Sicherheitsmaßnahmen zum Verhindern einer Einschleppung des Virus in Haltungen.

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Vogelgrippe bedroht Wildvögelpopulationen

Bei Wildvögeln bedrohe der Erreger ganze Populationen, insbesondere solche, die bereits gefährdet sind, warnen Wille und Barr in ihrem Artikel. Es müsse kontinuierliche Investitionen in die Überwachung von Wildvögeln und Geflügel sowie von Menschen an der Schnittstelle zwischen Mensch und Geflügel geben. Um die Risiken zu mindern, seien Maßnahmen wie die Verringerung der Bestandsgröße und -dichte und die Vermeidung der Geflügelproduktion in Gebieten mit vielen Wasservögeln sinnvoll.

Impfungen von Geflügel gegen Influenza bieten aufgrund der hohen Variabilität der Viren häufig einen unzureichenden Schutz, in der EU wurden sie anders als etwa in China bisher nicht breit eingesetzt. Vermutlich besitzen dem FLI zufolge schon länger existierende Impfstoffe aus anderen hochpathogenen H5-Formen auch Wirksamkeit gegen das aktuelle H5N1-Virus. Allerdings sei derzeit kein passender Impfstoff zur Anwendung bei Geflügel in Europa zugelassen. In verschiedenen EU-Mitgliedsländern seien aber Feldversuche zur Erprobung spezifischer Vakzine initiiert worden, auf EU-Ebene würden Möglichkeiten zum Einsatz von Impfstoffen diskutiert.

Vogelgrippe: Übertragung von Mensch zu Mensch weitgehend ausgeschlossen

Die derzeit zirkulierende Linie von H5 entstand Wille und Barr zufolge bereits 1996 in Asien und wird Gänse/Guangdong-Linie genannt. Darauf basierende Varianten hätten sich in Asien, dem Nahen Osten, Afrika und Europa ausgebreitet, Hunderte Millionen Hühner, Puten und Hausenten seien gekeult und mehr als 600 Fälle von H5N1 beim Menschen registriert worden. Die nun kursierende Nachfolgeform sei im Vergleich dazu weit weniger gefährlich für den Menschen.

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Auf welchen Eigenschaften des Virus die immense Verbreitung unter Vögeln beruht, ist Wille und Barr zufolge derzeit noch unklar. Möglicherweise kann die Variante ein breiteres Spektrum von Wildvögeln infizieren oder sie ruft eine höhere Viruslast hervor, was zu erleichterten Übertragungen führt. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch gilt bei der Vogelgrippe momentan immer noch als weitgehend ausgeschlossen, wie auch Wille und Barr betonen. Zu hoffen sei, dass es so bleibt: Wie bei Corona wäre es praktisch unmöglich, das Virus unter Kontrolle zu bringen, wenn es zu einer solchen Anpassung käme und das Virus durch die Luft von Mensch zu Mensch übertragen würde.

Mit Material der dpa

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