Bedrohter Frieden im Weltall

Wie Putins Krieg der Raumfahrt schadet

Die politischen Spannungen zwischen Europa, den USA und Russland machen sich nun in der sonst friedlichen Raumfahrt bemerkbar. (Symbolbild/Collage RND)

Die politischen Spannungen zwischen Europa, den USA und Russland machen sich nun in der sonst friedlichen Raumfahrt bemerkbar. (Symbolbild/Collage RND)

Die Raumfahrt war über viele Jahre eine verlässliche Konstante: Egal, welche Konflikte es zwischen Europa, den USA und Russland auf der Erde gab, bei der Exploration und Forschung im All schafften sie es dennoch, weiter zusammenzuarbeiten. Schon als Esa-Astronaut Alexander Gerst 2014 erstmals zur Internationalen Raumstation ISS aufbrach, inmitten der Spannungen um die russische Annexion der Krim, erwies sich die Raumfahrt als eine Art Brücke der Völkerverständigung. Zwar hatte die US-Raumfahrtagentur Nasa damals die Kooperation mit der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos gestoppt, das hinderte beide aber nicht daran, Gerst und seine Kollegen Gregory Reid Wiseman und Maxim Surajew ins All zu fliegen. Es war ein Zeichen des Zusammenhalts – trotz aller Differenzen.

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Beim jetzigen Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, ist es anders: Die Raumfahrt steht nicht mehr für uneingeschränkte Verbundenheit, sondern ist auf einmal zum politischen Spielball geworden. Russland demonstriert seine Macht als Raumfahrtnation, indem es wichtige Forschungsprojekte boykottiert, teilweise sogar Drohungen gegen seine Partner ausspricht. Damit hat das Land die Brücke der Völkerverständigung innerhalb kurzer Zeit zum Einsturz gebracht.

Start der Exomars-Mission verschiebt sich

„Bisher hatte ich gehofft, dass es bei allen Schwierigkeiten gelingt, Raumfahrt aus dem Konflikt herauszuhalten“, sagte Europas früherer Raumfahrtchef Jan Wörner vor wenigen Tagen der dpa. Genau das Gegenteil ist jedoch eingetroffen. Russlands Reaktionen auf die verhängten Sanktionen haben nicht nur unmittelbare Folgen für die Raumfahrt, sondern werden wohl auch noch in naher Zukunft zu spüren sein.

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Es geht um Projekte wie die Esa-Roskosmos-Mission Exomars. Eigentlich sollte im Herbst dieses Jahres eine russische Rakete vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan ins All starten, bestückt mit einer Landeplattform und dem Rosalind-Franklin-Rover, der nach Leben auf dem Mars suchen sollte. „Der Rover ist bereit, und zusammen mit den kürzlich erfolgreich durchgeführten Falltests für die Fallschirme sind wir zuversichtlich, dass wir den Starttermin im September einhalten können“, sagte Pietro Baglioni, Leiter des Exomars-Rover-Teams der Esa, noch im Januar.

Jetzt teilte die Weltraumbehörde mit, dass ein Start in diesem Jahr „aufgrund der Sanktionen und des allgemeinen Umfelds sehr unwahrscheinlich“ sei. Einen Ersatztermin gibt es bislang nicht; die Arbeiten an dem Programm würden aber fortgesetzt werden, versicherte Esa-Chef Josef Aschbacher auf Twitter.

Russland beendet Arbeit am Weltraumbahnhof Französisch-Guayana

Allein wird die Esa die Exomars-Mission nicht stemmen können. Denn dafür bräuchte die Weltraumbehörde zum einen eine eigene Rakete, zum anderen müsste sie eine eigene Landeplattform für den Rover bauen, was zusätzliche Kosten mit sich bringen würde. Es ist nur ein Beispiel, das verdeutlicht, welchen großen Einfluss Russland in der Raumfahrtindustrie hat – und wie abhängig Europa, aber auch die USA von den Technologien des Landes sind. In Krisenzeiten kann diese Abhängigkeit zu einem echten Problem werden.

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Das zeigt sich jetzt auch beim Weltraumbahnhof Französisch-Guayana: Wie der Chef von Roskosmos, Dmitri Rogosin, am Samstagmorgen via Telegram mitteilte, beendet Russland dort die Zusammenarbeit mit der Esa. Für die 87 russischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die derzeit noch im südamerikanischen Kourou stationiert sind, würden Rückflüge organisiert werden.

Vom Weltraumbahnhof Französisch-Guayana werden vorerst nur europäische Raketen wie diese Ariane 5 abheben.

Vom Weltraumbahnhof Französisch-Guayana werden vorerst nur europäische Raketen wie diese Ariane 5 abheben.

Sojus-Raketenstarts nicht mehr möglich

Die Esa reagierte augenscheinlich relativ unbeeindruckt auf die Entscheidung Russlands, dabei ist der Weltraumbahnhof Französisch-Guayana für die Raumfahrt ein elementarer Standort. Es ist der Startplatz für die russischen Sojus-Raketen, die in den vergangenen Jahrzehnten Dutzende Satelliten ins All und Astronautinnen und Astronauten zur ISS gebracht haben.

Geplant war, von dort aus schon im April zwei weitere europäische Galileo-Navigations­satelliten in den Weltraum zu befördern. Folgen sollten die europäisch-japanische Erdbeobachtungsmission Earthcare, das Infrarotteleskop Euclid und der französische Aufklärungssatellit CSO-3. Dass es nun bald an Technikerinnen und Technikern am Weltraumbahnhof in Kourou mangelt, ist für diese Projekte fatal und könnte sie schlimmstenfalls zum Stillstand bringen.

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Thierry Breton, EU-Kommissar für Raumfahrt, erklärte, dass das Ende der Zusammenarbeit mit Russland in Kourou „keine Auswirkungen auf die Kontinuität und Qualität der Dienste von Galileo und Copernicus“ haben werde. Ausbremsen dürfte es die weitere Forschung aber in jedem Fall. Für Breton steht fest, dass die Entwicklung der neuen Raketen Ariane 6 und Vega-C weiter vorangetrieben muss, „um die strategische Autonomie Europas im Bereich der Trägerraketen zu gewährleisten“.

Russland droht Kommunikationsfirma OneWeb

Noch ist Europa aber auf die russischen Sojus-Raketen angewiesen, um das Weltall erforschen zu können. Russland weiß das, und nutzt diese Abhängigkeit zu seinem Vorteil: So drohte Roskosmos jüngst, vorerst keine weiteren Satelliten des britischen Kommunikationsunternehmens Oneweb mehr ins All zu bringen.

Dmitri Rogosin, Chef der Weltraumbehörde, forderte die Firma dazu auf, Garantien auszusprechen, dass die Satelliten nicht für militärische Zwecke genutzt werden. Außerdem sollte sich die britische Regierung als Gesellschafter aus dem Unternehmen zurückziehen – ansonsten würden die für Samstag geplanten Raketenstarts entfallen. Vor diesem Hintergrund hatte sich Oneweb am Donnerstag schließlich dazu entschieden, die Starts auszusetzen.

Auch die ISS ist vom Krieg in der Ukraine betroffen

Während die europäische Raumfahrtindustrie in den vergangenen Jahrzehnten eine enge Zusammenarbeit mit Russland pflegte, die ihr jetzt teilweise zum Verhängnis wird, haben die USA versucht, unabhängiger zu werden, auch durch kommerzielle Raumfahrtunternehmen wie SpaceX. Doch nicht in allen Bereichen ist ihnen das geglückt, zum Beispiel bei der Technik für Raketen. Diese Schwachstelle kommt Russland gerade recht: Roskosmos gab am Donnerstag bekannt, keine Raketentriebwerke und Triebwerksmotoren mehr in die USA zu liefern. „Lasst sie auf ihren Besen ins All fliegen“, wetterte Rogosin im russischen Staatsfernsehen.

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Es ist nicht das erste Mal im Verlauf des Krieges in der Ukraine, dass Russland derartige Provokationen ausspricht. Auch in Hinblick auf die Internationale Raumstation schreckte Roskosmos-Chef Rogosin nicht vor Pöbeleien zurück: Zwar hat die Weltraumbehörde ihren Willen zum Weiterbetrieb der Raumstation betont, gleichzeitig warnte sie aber vor einer überstürzten Aufkündigung der Zusammenarbeit mit den USA. Wenn sich die Amerikanerinnen und Amerikaner weigern würden, mit Russland zu kooperieren, „wer wird dann die ISS vor einem möglicherweise unkontrollierten Absteigen aus der Umlaufbahn und einem Absturz auf amerikanisches oder europäisches Territorium bewahren?“

Grob übersetzt bedeutet Rogosins Aussage eigentlich Folgendes: Es wäre doch schade, wenn der Raumstation etwas zustoßen würde. Tatsächlich hängt das Überleben der ISS zu großen Teilen von Russland ab. Denn es sind russische Progress-Raumtransporter, die dafür sorgen, dass die Weltraumstation ihre Umlaufbahn im All beibehält, indem sie von ihnen immer wieder angehoben wird. Ansonsten würde sie mit der Zeit unkontrolliert abstürzen. Gleichzeitig helfen die Raumtransporter der ISS dabei, Weltraumschrott auszuweichen.

Die ISS muss immer wieder von Raumtransportern angehoben werden, damit sie nicht abstürzt.

Die ISS muss immer wieder von Raumtransportern angehoben werden, damit sie nicht abstürzt.

USA kann ISS nicht alleine betreiben

„Es wäre sehr schwierig für uns, den Betrieb alleine aufrechtzuerhalten“, sagte Kathy Lueders, Chefin des bemannten Raumfahrtprogramms der Nasa, Ende Februar gegenüber dem amerikanischen Nachrichtensender CNBC. Die US-Raumfahrtbehörde hat sich bereits dafür ausgesprochen, die ISS bis 2030 weiter zu betreiben; ob auch Roskosmos seine Arbeit über 2024 hinaus verlängern wird, ist noch unklar.

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Bislang gebe es keine Pläne, Russland beim Betrieb der ISS zu ersetzen, so Lueders. „Es wäre ein trauriger Tag für den internationalen Betrieb, wenn wir im Weltraum nicht weiter zusammenarbeiten könnten.“ Sie bestätigte gleichzeitig, dass die Nasa kontinuierlich daran arbeite, die eigenen Fähigkeiten an der Station zu verbessern, um etwa selbstständig Korrektur- und Ausweichmanöver durchzuführen.

DLR beendet Zusammenarbeit mit Roskosmos

Auch auf die Experimente, die Astronautinnen und Astronauten auf der Raumstation durchführen, wirkt sich Russlands Krieg gegen die Ukraine aus. So erklärte das Land die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für beendet und reagierte damit auf die Aufkündigung der Kooperation von deutscher Seite.

In einem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben von Roskosmos-Chef Rogosin heißt es, dass die Entscheidung des DLR den langfristigen Beziehungen einen irreparablen Schaden zugefügt habe. „In dieser Hinsicht halte ich eine weitere Zusammenarbeit (…) für unmöglich, gemeinsame Experimente auf der Internationalen Raumstation durchzuführen.“ Betroffen seien etwa Forschungsarbeiten zur Entwicklung eines Boden-Weltraum-Systems zur Überwachung und Vorhersage von Naturkatastrophen.

Zusammenarbeit auf der ISS bleibt von Krieg unberührt

Die ISS-Bewohnerinnen und Bewohner selbst dürften gerade nur wenig vom Krieg in der Ukraine mitbekommen, wenngleich sie das Ausmaß der Zerstörungen wohl auch vom Weltraum aus beobachten können. Zumindest in rund 400 Kilometern über der Erde scheint eine friedliche Zusammenarbeit mit Russland noch möglich zu sein. Teil der siebenköpfigen Crew sind zurzeit zwei russische Kosmonauten, Pjotr Dubrow und Anton Schkaplerow; sowie drei US-Amerikaner, Raja Chari, Thomas Marshburn und Mark Vande; eine US-Amerikanerin, Kayla Barron; und ein deutscher Astronaut, nämlich Matthias Maurer.

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„Die Teams reden weiterhin miteinander, wir trainieren weiterhin zusammen, und wir arbeiten weiter zusammen“, bestätigte Nasa-Direktorin Kathy Lueders gegenüber CNBC. Ein Verhalten, das auch auf der Erde guttun würde. Dort bleibt die Lage hingegen weiter angespannt. Russlands Krieg gegen die Ukraine geht weiter – und damit könnten womöglich noch weitere Einschränkungen für die Raumfahrt drohen.

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