Spotlight-Effekt: Warum man anderen viel weniger auffällt, als man denkt
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Der Spotlight-Effekt lässt uns vermuten, dass wir unter Beobachtung stehen.
© Quelle: RND-Montage, Foto: IMAGO/Panthermedia
Wieso hat mir keiner gesagt, dass ich Spinat zwischen den Zähnen habe? Dass meine Bluse falsch geknöpft ist? Dass mein Hosenstall offensteht? Ein guter Grund dafür könnte sein, dass es niemandem aufgefallen ist. Die Selbst- und Fremdwahrnehmung gehen bei vermeintlich peinlichen Vorkommnissen nämlich auseinander.
Wir überschätzen, inwieweit andere bemerken, was bei uns selbst im Fokus steht.
Prof. Dr. Hans-Peter Erb,
Sozialpsychologe
Diese Diskrepanz beschreibt der Spotlight-Effekt: Das Gefühl, dass der Scheinwerfer, also das Spotlight, der allgemeinen Aufmerksamkeit auf uns gerichtet ist. In Wirklichkeit ist das aber oft nicht der Fall. „Wir überschätzen, inwieweit andere bemerken, was bei uns selbst im Fokus steht“, sagt Hans-Peter Erb, Professor für Sozialpsychologie an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg.
Auch Positives zieht seltener Aufmerksamkeit auf sich
Schlimm fühlt sich das dann an, wenn uns etwas unangenehm ist. Es gibt aber auch eine Art positiven Spotlight-Effekt: Wenn wir es schön finden, anderen aufzufallen. Doch auch in diesem Fall ist es selten so, dass uns so viel Aufmerksamkeit zuteilwird, wie wir denken. Professor Erb beschreibt eine typische Situation dafür: „Ich gehe mit meiner tollen Uhr spazieren und denke: Die sehen das alle. Und in Wirklichkeit kriegt das keiner so richtig mit.“
Wie lässt sich erklären, dass wir Dinge für so wichtig halten, dass sie anderen auffallen müssen – unser Umfeld diese Dinge aber meist gar nicht wahrnimmt?
„Wir benutzen unsere eigene Wahrnehmung als Anker“, erklärt Professor Erb. „Das, was uns persönlich betrifft, ist im Fokus, und wir verallgemeinern diesen Fokus auf andere Menschen. Für die anderen ist aber der Fokus nicht auf meiner Person, sondern ihr Fokus liegt ja auch auf ihrem eigenen Verhalten. Die unterliegen genauso dem Spotlight-Effekt wie ich auch.“
Der Spotlight-Effekt betrifft aber nicht alle Menschen gleich. Professor Erb vermutet: Wer eher schüchtern oder sozial gehemmt ist, empfindet einen stärkeren Spotlight-Effekt. Denn er oder sie sieht sich in sozialen Situationen ohnehin stärker im Fokus, als er oder sie es tatsächlich ist. Laut dem Sozialpsychologen gilt das jedoch für alle Menschen: „Der Effekt hindert uns daran, vielleicht mal das auszuleben, was wir gerne ausleben würden.“
Mal alleine ins Café gehen? Lieber nicht, dann starren mich alle an. Und das bunte Jackett oder das enge Kleid, in dem man sich selbst gut gefällt, bleiben wegen des Spotlight-Effekts vermutlich auch öfter im Schrank. Er sorgt dafür, dass wir uns fragen: Bin ich vielleicht zu dick, zu alt oder zu jung dafür? Wir fürchten negative Reaktionen, denn als soziale Wesen sind wir auf positive Rückmeldung der anderen angewiesen. Und greifen zum Sweatshirt.
Den Spotlight-Effekt abtrainieren – indem man absichtlich auffällt
Genau davon rät Professor Erb jedoch ab – zumindest, wenn man sich den Spotlight-Effekt abtrainieren will. „Das unangenehme Gefühl verschwindet, wenn man es gewohnt ist, auffällige Kleidung zu tragen. Wenn ich das bunte Jackett jeden Tag anziehe, verschiebt sich innerlich bei mir das Besondere: Das Jackett fällt mir gar nicht mehr so auf.“
Auch für unangenehme Situationen, die man weniger gut planen kann als die eigene Garderobe, hat der Sozialpsychologe einen Rat: „Es hilft, sich über den Effekt bewusst zu werden: Viele haben es gar nicht mitgekriegt. Wie schlecht meine Vorlesung heute war, zum Beispiel, oder wie schlecht meine Haare sitzen. Und beim nächsten Mal kann ich das natürlich auch wieder ausgleichen: Die nächste Vorlesung wird wieder besser, und morgen gehe ich mit der perfekten Frisur vor die Tür. Es ist alles nicht so dramatisch, wie es sich im ersten Augenblick anfühlt.“
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